Was ist das Problem?

Bert van Son, der Gründer von Mud Jeans, hat über 30 Jahre dazu beigetragen, dass die Fast-Fashion-Industrie immer mehr, immer schneller und immer billiger produzieren kann. Als 23 jähriger ging er nach China und arbeitete dort jahrelang für klassische Bekleidungshersteller. Ein Kleidungsstück, das wie kaum ein anderes für die Wegwerfgesellschaft steht, ist die Jeans. Jährlich werden zwei Milliarden Jeans produziert. In den Kleiderschränken der Deutschen hängen laut Cotton Incorporated Lifestyle Monitor durchschnittlich sieben Jeanshosen. Oft werden sie kurz oder nie getragen und schnell wieder weggeschmissen. Weniger als ein Prozent des Materials wird zu neuer Kleidung recycelt. Wichtige Ressourcen gehen dadurch verloren. Bei der Jeans ist vor allem der Wasserverbrauch erschreckend hoch. 7.000 Liter Wasser verschlingt eine Jeans, was vor allem an der Baumwolle liegt, dem Jeans-Rohstoff Nummer eins. Das sind um die vierzig Badewannen voller Wasser. Wie problematisch das ist, lässt sich am Aralsee in Zentralasien beobachten. Der einst viertgrößte See der Erde wurde für die Bewässerung von Baumwollfeldern genutzt. Mittlerweile ist er zu über 80 Prozent ausgetrocknet.

Was ist der Ansatz von Mud Jeans?

Van Son wollte es anders machen, besser. 2012 gründete er das niederländische Unternehmen Mud Jeans, um nachhaltige Jeans aus Biobaumwolle herzustellen, mit einer transparenten Produktionskette und fairen Arbeitsbedingungen. 2013 ging er noch einen Schritt weiter und hinterfragte die Idee des Kaufens an sich. Müssen Kund:innen überhaupt zu Besitzer:innen der konsumierten Kleidung werden? Seine Antwort: Jeans im Abo. Monatlich zahlen die Kund:innen Raten für eine Jeans, die sie nach einem Jahr, falls sie nicht mehr gefällt, gegen ein neues Modell tauschen können.

Die getragenen Jeans sollen von den Kund:innen dann zurückgeschickt werden. Je nach Zustand werden die Hosen gereinigt und als Vintagemodelle günstiger verkauft. Oder sie werden geschreddert und so wieder zu Fasern zerkleinert, mit frischer Baumwolle gemischt und zu neuem Garn gesponnen. Aus diesem Garn werden neue Jeanshosen gewebt. Van Sons Ziel: nachhaltige Jeanshosen, um den Wasserverbrauch der Industrie zu reduzieren und den Anteil an recycelter Kleidung zu erhöhen. Fast alle Mainstream-Modelabels arbeiten nach einem linearen Prinzip: Die Kleidung wird hergestellt, verkauft, getragen und dann weggeworfen. Die Idee hinter Mud Jeans sei eine neue Form des Wirtschaftens, so Danique Gunning, Marketingleiterin und Miteigentümerin von Mud Jeans, im Gespräch mit Flip. Nutzen statt besitzen ist das Motto. Daher arbeite Mud Jeans in einem Kreislaufmodell, um die einmal genutzten Ressourcen nicht zu vergeuden:

»Wir wollen der Welt zeigen, dass Kreislaufwirtschaft mit Jeanshosen möglich ist.« Danique Gunning, Mud Jeans

Und funktioniert das auch?

Leihen statt kaufen – das klingt erstmal gut. Aber funktioniert das auch? Und ist die Wasserbilanz einer Mud-Jeans wirklich besser? Darüber hat Flip-Autorin Carmen Maiwald ausführlich mit Danique Gunning gesprochen.

Links: Danique Gunning von Mud Jeans. Rechts: Flip-Autorin Carmen Maiwald

Hier ein paar Punkte, die wir wichtig finden:

1.Das Abo-Modell…

…ist für die Kund:innen nur eine Möglichkeit. Sie können Mud Jeans auch kaufen. Trotzdem entscheiden sich etwa die Hälfte der Onlinekund:innen dafür, ihre Jeans zu leasen. Auf diese Weise sorgt Mud Jeans dafür, dass die Rohstoffe recycelt werden. Denn der zuverlässigste Weg, Rohstoffe wieder zurückzubekommen, ist es, sie erst gar nicht zu verkaufen.

Und wie genau funktioniert das? Mud Jeans Kund:innen können für eine monatliche Miete von 9,95 Euro für zwölf Monate eine Jeans mieten. Sollte die Jeans in dieser Zeit kaputt gehen, wird sie umsonst repariert. Nach den zwölf Monaten können die Kund:innen entscheiden, ob sie die Jeans zurückschicken, sie gegen eine neue eintauschen oder behalten wollen. 80 Prozent der Abonnent:innen schicken ihre alte Jeans nach einem Jahr zurück. Am nachhaltigsten wäre es natürlich, Kleidung so lange wie möglich zu tragen aber gerade für Menschen, die häufig ihre Garderobe wechseln, macht ein Abo aus Sicht von Gunning aber Sinn. Der Umtausch nach einem Jahr sei eine Möglichkeit, das Modell zu wechseln, ohne unnötig viele Ressourcen zu verschwenden.

2. Das Recycling

Das Unternehmen Recover im spanischen Alicante schreddert die Jeans im Auftrag von Mud und spinnt aus den alten Fasern zusammen mit frischer Baumwolle neues Garn.

…ist eine technische Herausforderung: Die alten Jeanshosen werden geschreddert, wodurch die Fasern kurz werden und die daraus gesponnenen Garne instabil. Um trotzdem stabile Garne zu erzeugen, werden beim Spinnprozess frische und damit längere Bauwollfasern zu den recycelten Fasern gemischt. Derzeit bestehen Mud Jeans zu 23 bis 40 Prozent aus recycelter Baumwolle und zu maximal 2 Prozent aus Elastan. Der Rest ist frische, unrecycelte Baumwolle.

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