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Recycling

IGLU: Eine blaue Tonne für Blue-Jeans

Auf einen Blick

Idee:  IGLU sammelt abgetragene Jeans und sorgt dafür, dass daraus wieder neue Jeans werden können. Er will sich damit im Kleinen dem riesigen Müllproblem entgegenstellen, dass die Fast-Fashion-Branche verursacht.  

Impact: Auch mit wenig Ressourcen hat IGLU bereits viel erreicht und in vielen Städten blaue Tonnen aufgestellt, in die man seine alten Jeans werfen kann. Bis heute hat IGLU damit laut eigenen Angaben schon über zehn Tonnen eingesammelt und dem Recycling zugeführt.  

Glaubwürdigkeit: IGLU kommuniziert transparent und kann auf Nachfrage alle Zahlen und Rechnungen belegen.  

Was ist der Ansatz von IGLU?

Manchen Menschen sammeln Schallplatten, Puppen oder Briefmarken. Katharina Partyka sammelt Jeanshosen. Verdreckte, getragene, zerschlissene, alte Jeanshosen. Sie sammelte so viele, dass sie zu einem Jeansberg wurden, der ihr bald über den Kopf ragte. Doch Partyka sammelt nicht zum Behalten, sondern zum Weitergeben. Sie sammelt fürs Klima. 

Katharina Partyka hat vor über zwölf Jahren “Kiss the Inuit” gegründet, einen Laden für faire und ökologische Mode in Köln. Sie verkaufte Jeans aus Biobaumwolle, recycelten Schmuck aus alten Diarahmen oder Autositzen, Mode von Labels, die versuchen, Kleidung nachhaltiger zu produzieren. Partyka wollte die Menschen davon überzeugen, dass faire Mode schön sein kann, modisch und bezahlbar. Es klappte. Partyka expandierte und eröffnete einen weiteren Modeladen in Bonn. Bis sie erkannte: „Öko und fair allein reicht nicht.“ Zu viele Ressourcen würden auch für diese Kleidung verschwendet, zu viel Textilmüll würde anfallen. Nun hat Partyka sich eine neue Herausforderung gesucht: Mit ihrer gUG IGLU will sie gegen den verschwenderischen Umgang mit Textilmüll ankämpfen und die Mode kreislauffähiger machen. Mit der Jeans hat sie anfangen. 

Katharina Partyka präsentiert die blaue Tonne für alte Jeans. Foto: IGLU

Im März 2020 setzte sich Partyka mit IGLU ein Ziel: 10.000 Jeanshosen sammeln, recyceln und zu Garn verarbeiten lassen, aus dem wieder neue Kleidung entstehen kann. Sie rief alle Kölner:innen dazu auf, ihre getragenen Jeans bei ihr abzugeben. Dann kam Corona. Aber trotzdem „schlug das Ding ein“, wie sie sagt. Etliche Menschen legten Jeanshosen vor Partykas Laden, brachten ganze Kisten voller Jeans oder schickten sie per Post überall aus Deutschland. „Ich will unbedingt, dass Menschen wissen, dass alte und kaputte Jeans total wertvoll sind und dass es sich lohnt, diese Jeans zu sammeln“, sagt Partyka. Man schone die Umwelt, indem man eine alte Ressource, die bei der Produktion viel Wasser und CO2 verbraucht hat, weiter nutze. Außerdem trage fast jeder Jeans und jeder wolle sie irgendwann wieder loswerden.  

Partyka rief mit IGLU die Kampagne „Jeans-Recycling“ ins Leben und bewarb sich bei der Deutschen Postcode Lotterie um eine Förderung für soziale und nachhaltige Projekte. Es klappte – und mit den 30.000 Euro stellten sie 50 blaue Tonnen in ganz Nordrhein-Westfalen auf, in Warenhäusern, Vereinen, Unverpacktläden und Schulen.

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Die blaue Tonne hat IGLU bereits in über 30 Städten aufgestellt. Foto: IGLU

Das IGLU-Team schaut die Jeanshosen, die in den Tonnen landen, eigenständig durch. Es kontrolliert, ob alle Jeans genug Baumwolle enthalten und nur wenig synthetische Fasern, denn nur dann können sie wieder zu einer brauchbaren Faser recycelt werden. Theoretisch sei jede Jeans, die mindestens zu 95 Prozent aus Baumwolle bestehe, kreislauffähig, erklärt Lavinia Muth, Expertin für nachhaltige Mode und Beraterin für ethische Geschäftspraktiken und soziale Gerechtigkeit. Die Jeans, die man noch tragen kann, werden in Partykas Laden in Köln zum Tausch angeboten: Wer eine alte Jeans abgibt, darf sich eine der gesammelten Jeans dafür aussuchen. Jeans mit einem zu geringen Baumwollanteil werden für Upcycling-Projekte genutzt oder landen, wenn auch das nicht geht, im Restmüll. 

Mit ihrer kleinen Kampagne stellt sich Partyka einem der größten Probleme der Modebranche: Der Verbrauch von Textilien steigt immer weiter, allein in den letzten 15 Jahren hat sich die Bekleidungsproduktion ungefähr verdoppelt. Gleichzeitig werden die Kleidungsstücke immer kürzer getragen. Laut einer Befragung des Umweltbundesamt werden T-Shirts oder Jeanshosen selten länger als drei Jahre genutzt. Danach werden sie aussortiert. Weniger als ein Prozent der Bekleidung wird recycelt, zu Garn gesponnen und wieder zu neuer Bekleidung verarbeitet. Der viel größere Teil wird verbrannt, zu Dämmmaterial oder Putzlappen verarbeitet.  

Und funktioniert das auch?

Um das herauszufinden, hat Flip-Autorin Carmen Maiwald ein ausführliches Interview mit Katharina Partyka von IGLU geführt. 

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IGLU gibt die gesammelten Jeans weiter an den Recycler Altex in der Nähe von Münster, der die Jeans zu feinen Fasern zerkleinert. Aus diesen Fasern spinnt dann das Unternehmen ESG (European Spinning Group) in Belgien neues Garn. Auf ihrer Website rechnet IGLU vor: Über zehn Tonnen Jeans habe man bis heute eingesammelt – und damit etwa 60 Millionen Liter Wasser eingespart sowie 138 Tonnen CO2-Emissionen vermieden. 

„Einzelne Materialien in sauberen Strömen zu sammeln ist wichtig. Die Initiative ist also erst mal sehr gut“, sagt Janine Korduan, Kreislaufwirtschaftsexpertin des BUND. Aber: „Echte Kreislaufwirtschaft fängt nicht beim Recycling an.” Im Gegenteil, Recycling dürfe erst der aller letzte Schritt sein, Kleidung müsse so lange wie möglich wiederverwendet werden, bevor sie recycelt werde. Für das sogenannte Faser-zu-Faser-Recycling, das auch Partyka und IGLU betreiben, würde viel Energie aufgewendet, es gehe immer ein Teil des Materials verloren und es müssen neue Frischfasern hinzugegeben werden. 

Auch um aus den von Partyka gesammelten Jeans neues Garn zu spinnen, muss also ein Anteil Frischfasern hinzugegeben werden. Zwei Drittel ungefähr, erklärt Partyka, damit das Garn robust und strapazierfähig genug sei. Partyka hat aus dem Garn einen Pullover herstellen lassen, den „Köln-Sweater“, der aus den recycelten Jeans, Bio-Baumwolle und Tencel besteht. „Der Pullover sollte noch mehr Aufmerksamkeit auf unsere Kampagne lenken“, sagt sie.  

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Die alten Jeans lässt IGLU recyceln – und macht daraus zum Beispiel neue Pullis. Foto: IGLU

Und wie geht es mit dem Projekt weiter?

Immer noch erreichen Partyka viele Anfragen: von Wertstoffhöfen über Kommunen, Organisationen und Schulen, die an dem Projekt teilnehmen und Jeans fürs Klima sammeln wollen.  

Doch mittlerweile fehlt das Geld: Die Förderung ist aufgebraucht. So kann Partyka das Netz nicht weiter ausbauen, denn jede Sammelstelle kostet Geld: Mindestens 120 Euro für die Tonne und das Werbematerial, rechnet Partyka vor. Ihr größtes Problem sei die Logistik. „Wir müssen die Jeans an den einzelnen Sammelstellen abholen und zum Recycler bringen“, sagt Partyka. Das Auto für die Abholung habe das Recyclingunternehmen Altex gestellt. Trotzdem ist es für Partyka und ihr kleines Team bisher nicht möglich, ein bundesweites Netz an Sammelstellen aufzubauen. 

„Uns sind nun schon mehrere potenzielle Partner abgesprungen“, sagt die 53-Jährige. Das Problem sei, dass recycelte Baumwolle immer noch nur sehr wenig in der Industrie eingesetzt würde: 2020 lag ihr Anteil an der weltweiten Baumwollproduktion bei nicht einmal einen Prozent.  Deshalb, sagt Partyka, lohne sich das Faser-zu-Faser Recycling für die Recycler nicht wirklich: „Wir sind daher gerade an einem Punkt, an dem das Projekt wahrscheinlich zu Ende geht.” Mit der Aufklärungsarbeit wolle ihr Team weitermachen. Die bisherigen Sammelstellen bleiben erst mal bestehen.  

„Ein getrenntes Sammelsystem sollte nicht die Aufgabe von Privatinitiativen sein“, sagt Janine Korduan vom BUND. Für die unterschiedlichen Abfallströme, inklusive Textilien, müssten Sammel- und Wiederverwendungsquoten eingeführt werden, ähnlich wie bei Mehrwegflaschen. Partyka und ihr Team haben deshalb eine Petition gestartet: „Wir wollen die Menschen wachrütteln, aber vor allem die Politik in die Verantwortung nehmen.”  Sie fordern: Ein staatliches Sammelsystem für Jeanshosen.  

 

Disclaimer

Für das Crowdfunding des Marabu-Sneakers und dessen weitere Realisierung hat FLIP gemeinsam mit dem Münchner Sneakerhersteller MONACO DUCKS die Firma GRND gegründet, an der beide Partner zu 50 Prozent beteiligt sind.

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