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Nachhaltige Jeans

Wunderwerk: Das Wasser-Wunder?

Auf einen Blick

Idee: Die Wunderwerk-Jeans soll gerade einmal so viel Wasser verbrauchen, wie in zwei Trinkgläser passt – und ohne giftige Chemikalien auskommen. 

Impact: Wunderwerk verzichtet bei der Waschung auf zwei giftige Chemikalien und verwendet nur Bio-Baumwolle. Dank eines speziellen Waschverfahrens verbraucht Wunderwerk eigenen Angaben zufolge teilweise nur 0,7 Liter Wasser pro Jeans-Waschung. Einen Nachweis dafür liefert das Unternehmen jedoch nicht.

Glaubwürdigkeit: In einem Newsletter wird die Jeans fälschlicherweise als “plastikfrei” beworben. Wunderwerk spricht von einem Missverständnis und verspricht, künftig noch genauer zu kommunizieren.

Was ist die Mission von Wunderwerk?

Es war ein ganz spezieller Geruch, der sich für immer in Heiko Wunders Erinnerung eingebrannt hat und der ihn dazu brachte, aus der konventionellen Modebranche auszusteigen. Er war mal wieder in einer Jeans-Wäscherei, dort, wo die Hosen mit viel Chemikalien aufgehellt werden. Es hat dort so nach Essig gestunken, ich wollte nicht einmal reingehen man riecht sofort, dass das nicht gesund ist. Es darf nicht sein, dass Menschen hier arbeiten müssen.“ Über 13 Jahre war Wunder als Produktmanager Teil der Modebranche, der konventionellen. Er arbeitete unter anderem bei Tom Tailor und O’Neill und reiste durch die ganze Welt. Oft war er in Thailand, Myanmar, Vietnam, China. Alle vier bis sechs Wochen sah er die andere Seite der schillernden Modewelt. „Wenn man weiß, wie es vor Ort abgeht, in einer Wäscherei oder Fabrik, dann wird einem klar: Dass wir hier unsere Kleidung produzieren lassen, geht gar nicht.“ Er ließ die konventionelle Modebranche hinter sich und gründete 2012 die eigene Marke „Wunderwerk“. Er wollte es besser machen. 

Die „Westdeutsche Zeitung“ nannte Heiko Wunder einmal einen „bundesweiten Pionier“. Mit seinem Firmenmotto „More than organic“, setzt sich Wunder seit über zehn Jahren selbst einen Maßstab: Es reiche nicht, nur Biobaumwolle einzusetzen. Man müsse auch existenzsichernde Löhne zahlen und den Chemikalieneinsatz ändern.  

Das Wunderwerk-Team vor dem Store in Düsseldorf. In der Mitte (vierter v.l.): Heiko Wunder. Foto: Wunderwerk

Mittlerweile hat Wunder ein knapp 30-köpfiges Team um sich herum aufgebaut. Er verkauft auch T-Shirts, Mäntel, Strickwaren und Accessoires. Doch die Jeans ist das Herzstück der Marke. Etwa 40.000 Jeans produziert Wunderwerk jedes Jahr. Und auch Wunder trägt am liebsten Jeans, den ganzen Tag lang. „Ich wohne praktisch in Jeans“, sagt der 51-Jährige. Doch auch nach all den Jahren ist das Geschäft mit seinem Lieblingskleidungsstück immer noch eine Herausforderung: Anfang Juli musste Wunder mit seinem Unternehmen Insolvenz anmelden, wie die Textilwirtschaft berichtet. Der Online-Shop sei von dem Verfahren jedoch nicht betroffen, da diese von einer anderen Firma geführt werde. 

Und funktioniert das auch?

Flip-Autorin Carmen Maiwald traf Wunderwerk-Gründer Heiko Wunder zum Online-Interview. Zum Videogespräch wählt sich Wunder ein bisschen verspätet ein. Er musste dringend noch mit einer auszubildenden Person in seinem Team sprechen, erklärt er. Sie habe Wasser aus einer Plastikflasche getrunken.  Im Büro sind Plastikflaschen verboten.  

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Nach dem Geruchs-Schock in der Wäscherei arbeitete Wunder immer radikaler daran, die Waschung von Jeans zu verändern. Die klassische Jeans ist erst mal dunkelblau, erst durch die Waschung wird der Stoff durch Zugabe von Farbe und anderen Chemikalien dunkler oder heller. Anfangs hätten seine Jeans für solche Waschungen 3 bis 9 Liter Wasser pro Hose gebraucht, sagt Wunder. Vergleicht man das mit anderen Werten, ist das bereits ziemlich gut: Im Schnitt werden Jeans mit 65 Litern Wasser gewaschen. Doch Wunder erzählt, dass er inzwischen mit seinem Lieferanten ein noch besseres Verfahren entwickelt habe, bei dem man einen großen Teil des Wassers nach jedem Waschgang einfach wiederverwenden kann. Einige der dunklen Wunderwerk-Jeans bräuchten somit nicht einmal einen Liter Wasser. Genau: 0,7 Liter. Das ist gerade mal so viel Wasser, wie in zwei Trinkgläser passt. Einen Beleg dafür liefert Wunderwerk allerdings bislang weder auf seiner Website – noch auf Anfrage von Flip. Stimmt die Zahl, würde Wunderwerk im Vergleich zu anderen Herstellern ziemlich wenig Wasser verbrauchen. Überprüfen kann man sie leider nicht. 

Der Wasserverbrauch sei aber auch gar nicht das Entscheidende, sagt Heiko Wunder. Damit man das Wasser überhaupt wiederverwenden könne, dürfe es nicht mit Chemikalien belastet sein. „Wir bringen erst gar keine giftigen Chemikalien in den Kreislauf, dann braucht man das Wasser auch nicht aufwändig zu filtern, neutralisieren oder entsorgen“, sagt Wunder. NoTox nennt er dieses Prinzip. Das bedeutet konkret: Für die Wunderwerk-Jeans wird laut Wunder kein Chlor oder Kalium-Permanganat eingesetzt.  

 „Das sind die beiden großen schädlichen Chemikalien, die bei der Denim Waschung eingesetzt werden“, sagt Lavinia Muth, selbstständige Referentin, Mentorin und Beraterin für ethische Geschäftspraktiken. Darauf zu verzichten, sei schon mal ein wichtiger Schritt. Doch: „Die nachhaltigste Denim ist eine ungewaschene Denim.“ Die Hose hat dann zwar nicht den gewohnten Farbverlauf auf den Beinen, es gibt sie nicht in hell ausgebleicht. Aber man vermeide dadurch den aufwändigen Waschprozess und verbrauche gar kein Wasser im letzten Produktionsschritt. Heiko Wunder lässt seine Jeans trotzdem waschen. Aus kommerziellen Gründen: „Ungewaschene Jeans werden von 99% der Kunden nicht gekauft”, sagt er.  

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Dank des geringen Chemikalien-Einsatzes kann Heiko Wunder wunderbar an seinen Jeans riechen. Foto: Wunderwerk

Der Einsatz von Chemikalien ist nicht nur bei der Waschung der Hose entscheidend, sondern beginnt schon beim Anbau der Baumwolle, aus der der Jeansstoff hergestellt wird. Für die Wunderjeans wird deshalb bei allen Stoffen bis hin zum Futter der Tasche Biobaumwolle eingesetzt. Die Stoffe und Garne sind außerdem GOTS zertifiziert, eines der Zertifikate mit den höchsten Standards der Branche. Das bedeutet: Die Biobaumwolle wird nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus angebaut, ohne den Einsatz von synthetischen Pestiziden, Insektiziden, Herbiziden oder Gentechnik. „Baumwolle, die mit Pestiziden und Herbiziden behandelt wurde, sollten wir wirklich nicht auf der Haut tragen, das wollen wir unseren Kunden nicht antun“, sagt Heiko Wunder. Auch Thomas Bechtold, Leiter des Forschungsinstituts für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck, warnt davor, dass Pestizide auf der Baumwolle verbleiben können. Wenn die Garne das erste Mal gewaschen werden, seien die Chemikalien oft noch im Wasser nachweislich. Wir haben dadurch in Europa manchmal Pestizide im Wasser, die hier gar nicht mehr verwendet werden“, sagt Bechtold. 

Wunderwerks Werbeslogans

Heiko Wunder liebt Slogans. Für jeden seiner Meilensteine denkt er sich eine passende Punchline aus. Da ist  „Don’t panic – it’s organic“ zum Start der allerersten Kollektion. Und „NoTox“ zum Durchbruch der neuen Waschtechnik.  Doch bei einem Slogan scheint Wunder übers Ziel hinausgeschossen zu sein. „No Plastic. Fantastic“ steht auf einem grünen Siegel, mit dem Wunderwerk in einem Newsletter wirbt. In einer anderen Newsletter-Ausgabe schreibt Wunder: „Unser Jeansstoff: wirklich vegan & plastikfrei.“ 

Blickt man in die Liste der Materialien, findet sich bei den enganliegenden Jeansmodellen unter anderem die Chemiefaser Elastan, die die Hose elastisch macht, aber aus Erdöl besteht. Und auch einige Garne, die Wunderwerk verwendet, bestehen zum Teil aus Polyester. Beide Stoffe sind synthetisch und können Mikroplastik-Abrieb verursachen. “Plastikfrei” sind die Jeans von Wunderwerk also nicht.  
Auf Flip-Anfrage sagt Heiko Wunder, dass mit der “Plastikfrei”-Werbung nur der Knopf an der Jeans gemeint war. Die Knöpfe bestehen aus Vollgussmetall, ohne Plastik-Innenteil und werden in einer Manufaktur in Wuppertal gefertigt. Heiko Wunder korrigiert nach der Anfrage den Newsletter und will sich in Zukunft bei seinem „plastikfrei“-Versprechen eindeutiger auf den Verschluss der Jeans beziehen.

Auf die synthetischen Garne will Wunder weiterhin setzen. Es habe sich herausgestellt, dass sie strapazierfähiger sein und die Jeans dadurch langlebiger, erklärt Wunder: „Einer der ganz wenigen Kompromisse, die wir eingehen.“ Viola Wohlgemuth hätte es lieber, wenn Jeans-Hersteller wie Wunderwerk hier umdenken: „Wir müssen weg von synthetischen Fasern“, sagt die Greenpeace-Textilexpertin. Bestehe die Jeans zu 100 Prozent aus Baumwolle, könne sie besser recycelt werden. „Wir sollten Erdöl als Rohstoff für Textilien meiden und mehr auf nachwachsende Rohstoffe setzen“, sagt Wohlgemuth.   

Disclaimer

Für das Crowdfunding des Marabu-Sneakers und dessen weitere Realisierung hat FLIP gemeinsam mit dem Münchner Sneakerhersteller MONACO DUCKS die Firma GRND gegründet, an der beide Partner zu 50 Prozent beteiligt sind.

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