Was ist eigentlich das Problem?

Die Modeindustrie schadet Umwelt, Klima und Menschen. Sie verbraucht Unmengen an Ressourcen und verursacht mehr CO2 als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Und obwohl die Probleme schon lange bekannt sind, produziert sie immer mehr und immer schneller.

Sneaker stehen wie kaum ein anderes Kleidungsstück für diese Fast-Fashion-Maschine. Rund 1,4 Milliarden Paar Sneaker werden jedes Jahr verkauft – etwa doppelt so viele wie 2012. Am Ende, das zeigte nicht zuletzt unsere große Sneakerjagd-Recherche, landen viele davon im Müll:

380 Millionen Paar Schuhe werden allein in Deutschland jedes Jahr weggeworfen

Diese Sneaker-Marken wollen es besser machen

Seit wir über Sneaker und die Probleme in der Fast-Fashion-Industrie berichten, fragen uns Viele: Ist denn wirklich alles schlecht? Gleichzeitig haben uns auch viele kleine Sneaker-Marken geschrieben und gesagt: Wir machen es doch schon viel besser! So entstand die Idee, ob wir beide, bewusste Verbraucher:innen und nachhaltige Unternehmen, vielleicht mit einer konstruktiven Recherche zusammenbringen können. Nach vielen Monaten Arbeit sind wir nun so weit: Wir dürfen euch nun endlich den Flip-Sneaker-Check vorstellen!

Unsere Recherche soll euch einen Überblick über Sneaker-Marken geben, die es besser machen wollen als die Fast-Fashion-Konzerne. Zwar haben auch Nike, Adidas & Co. bereits Sneaker, die sie als nachhaltig bewerben. Doch diese Leuchtturm-Projekte dienen wohl vor allem dazu, von den Umweltschäden abzulenken, für die diese Konzerne verantwortlich sind. Nicht selten steckt dahinter aufwändiges Greenwashing. Deswegen haben wir uns bei dieser Lösungs-Recherche Sneaker-Marken gewidmet, die mit ihrem Gesamtsortiment und ihrer gesamten Firmenphilosophie einer nachhaltigen Mission folgen. Und das sind eher kleinere und unbekannte Unternehmen. Gleichzeitig haben wir natürlich wie immer ganz genau hingeschaut, damit ihr besser einschätzen könnt: Was ist wirklich ein guter Ansatz? Und was nur gutes Marketing? Ihr, die Flip-Community, könnt nun entscheiden, welche Marken euch überzeugen.

Zunächst starten wir mit sieben Sneaker-Marken, deren Lösungsansätze wir besonders spannend finden. Zu jeder veröffentlichen wir eine ausführliche Recherche. In den nächsten Wochen und Monaten sollen weitere Marken-Checks folgen, sodass an dieser Stelle der konstruktive Überblick zu einer ganzen Branche stehen wird!

Jeder der Marken-Checks steht für sich. Doch zusammen erzählen sie eine viel größere, eine hoffnungsvolle Geschichte. Von Menschen, die sich mit cleveren Ideen und großen Idealen aufmachen, um eine schmutzige Branche zu transformieren. Von kleinen Davids, die es den Fast-Fashion-Goliaths zeigen wollen – und dabei durchaus erfolgreich sind.

Zu diesen Marken haben wir recherchiert:

🌊 Ecoalf: Die spanische Erfolgs-Marke will mit ihrer Recycling-Revolution das Meer retten – und muss aufpassen, dass sie sich dabei nicht im Grundschleppnetz verheddert🇻🇳 N’go: Sie würden auch Tische statt Sneaker verkaufen, sagen die Gründer aus Frankreich, solange sie damit vietnamesischen Arbeiter:innen helfen👞 EKN: Ein Skater aus Frankfurt will Leder-Sneaker mit Hip-Hop-Attitüde machen und hat dafür sogar Rapper Max Herre an Board geholt🩸Bleed: Im oberfränkischen Helmbrechts tüftelt das kleine Team an einem veganen Sneaker, für den niemand bluten muss🌲 Saye: Das Label aus Barcelona wollte ursprünglich nur Bäume pflanzen – am Ende wurde ein Schuh draus🦶Wildling: Das Gründer-Ehepaar fing mit Kinderschuhen an und macht heute Schuhe für alle, die am liebsten barfuß laufen würden👑 Genesis: Die Marke will besser, nachhaltiger und fairer sein als alle anderen Sneaker – und erzählt dafür Geschichten wie aus der Bibel

Die Marken-Checks zeigen aber auch eindrücklich: Den perfekt nachhaltigen Sneaker hat noch niemand. Und dennoch ist er das Ziel, auf das die Sneaker-Davids hinarbeiten, Schritt für Schritt und auf unterschiedlichen Wegen. Während das oberfränkische Unternehmen Bleed nur vegane Materialien verwendet, damit an seinen Schuhen kein Blut klebt hat die Sneaker-Marke N’Go aus Frankreich ein ganz anderes Ziel: Ihr geht es nicht primär darum, woraus die Schuhe gefertigt werden. Sie will vor allem die Arbeitsbedingungen in Vietnam verbessern. Im nordrhein-westfälischen Engelskirchen wiederum bastelt Wildling an einem Schuh, der “so wenig Schuh wie möglich” sein soll und auch so aussieht.

Je tiefer wir in die Recherche einstiegen, desto klarer wurde, dass sich hinter dem Wort “nachhaltig” eine komplexe Welt verbirgt, in der es vor allem eine Regel gibt: Man kann nicht alle Probleme auf einmal lösen. Wer nachhaltige Sneaker bauen will, erlebt immer wieder Zielkonflikte. Um den CO2-Fußabdruck möglichst gering zu halten, kombiniert etwa der spanische Sneaker-Hersteller Saye in seinen Schuhen recyceltes Material mit nachwachsenden Rohstoffen, . Aber dadurch sind seine Sneaker am Ende ihres Lebens nur noch schwer sortenrein zu recyceln. Auch die Frankfurter Sneaker-Marke Ekn musste Kompromisse eingehen:. Nach der aufwändigen Entwicklung eines Sneakers aus ökologischen Materialien stellte das Unternehmen fest: Der Schuh geht viel zu schnell wieder kaputt. Also setzt es nun vorerst weiter auf langlebiges Leder.

Schließlich haben wir uns für die Marken-Checks noch der klassischen Flip-Frage gewidmet: Wie glaubwürdig sind die oft vollmundigen Versprechen der Unternehmen überhaupt und was ist am Ende möglicherweise doch nur Greenwashing? Die spanische Erfolgsmarke Ecoalf etwa, die auch Sneaker-Modelle aus sogenanntem Meeresplastik verkauft, möchte innerhalb weniger Jahre “den Meeresboden des Mittelmeers” reinigen. Noch einen Superlativ weiter landet man in Mühlheim, wo Genesis gleich die Schöpfungsgeschichte bemüht und sich zur “wahrscheinlich nachhaltigsten Sneaker-Marke der Welt” erklärt.

Zugegeben, wer sich durch die vielen protzigen Behauptungen von den “umweltfreundlichsten”, “nachhaltigsten” oder “besten” Sneakern auf dem “ganzen Markt” kämpft, kommt sich manchmal vor wie bei einem Rap-Battle in einem zugigen Hinterhof. Aber da laufen auch jede Menge Menschen rum, die ernsthaft nach zukunftsfähigen Lösungen suchen und mit Materialien aus Ananasblättern, Autoreifen und japanischem Papier experimentieren. Klar ist jedenfalls: Wer in die Welt der nachhaltigen Sneaker-Davids eintaucht, lernt viel über den Versuch, eine ganze Branche von innen heraus zu verbessern.

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