Was ist das Problem?
Ein großer Teil unseres Plastikmülls landet im Meer. Im Nordpazifik treibt eine Müllinsel, die viermal so groß ist wie Deutschland. Das kann verheerende Auswirkungen haben: Meerestiere wie Delfine oder Robben verfangen sich im Plastik und ersticken. Oder sie sterben, weil ihre Mägen mit Plastikteilen verstopft sind. Korallen und Schwämmen fehlt es an Licht, weil der Müll es mitunter blockiert. Auch dem Menschen kann es schaden: Über Fische landet das Plastik wieder auf unseren Tellern. Mehr als 70 Prozent unseres Sauerstoffs produzieren Kleinstlebewesen wie Plankton, Algen und Mikroben, deren Ökosystem das Plastik bedroht.
150 Millionen Tonnen Plastikmüll
könnten laut einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts bereits in den Ozeanen schwimmen.
Was ist der Ansatz von Got Bag?
Benjamin Mandos möchte helfen, das Meer zu retten, mit einem Rucksack aus Plastikmüll. Seine Story ist gut dokumentiert, er erzählt sie auf Linkedin, im Fernsehen und auch im Video-Interview für diesen Artikel. Mit schwarzem Hoodie sitzt er im Homeoffice, ein cooler, entspannter Typ, der seine E-Mails gern mit “Benny” unterschreibt. Mit seinem Schulfreund Roman Ruster verbindet ihn die Liebe zum Wasser. Mandos ist schon als Kind mit seinem Vater gesegelt, Ruster leidenschaftlicher Surfer. Auf einer langen Autofahrt, so die Gründungsgeschichte von Got Bag, berichtet Mandos seinem Kumpel von einem Thailand-Urlaub, von Stränden voller Plastik, angespült aus dem Meer. Daraufhin hätten sie beschlossen, etwas dagegen zu tun.
Die beiden Freunde starten 2016 Got Bag. Mit dem “ersten Rucksack aus Meeresplastik” wollen sie die Meere sauberer machen. Symbolisch, so heißt es heute auf der Website, stehe er dafür, “dass wir wir alle gemeinsam die große Aufgabe schultern müssen, die Wasserqualität für die Zukunft von Flora und Fauna zu sichern.”

Aus der Meeresplastik-Idee hat nicht nur Got Bag ein Geschäftsmodell geformt. Es gibt Sonnenbrillen, Armbänder, Shirts, Bademode, Uhren, Handyhüllen und Designerstühle aus Meeresplastik. Der Abfall aus den Ozeanen wird von den Herstellern dabei als besonders wertvolle, weil weltrettende Zutat angepriesen. Je mehr davon drin ist, desto besser. In mehreren Online-Shops und auch in Posts von Influencern heißt es, der Got Bag-Rucksack bestehe aus “100 % recyceltem Meeresplastik“. Auf seiner Website verspricht das Unternehmen “echten Mehrwert für die Ozeane”.
Zunächst allerdings verkauft das Unternehmen, anders als man es bei der Gründungsstory erwarten würde, einen ziemlich normalen Rucksack auf Amazon, ganz ohne Meeresplastik. Das, sagt Mandos heute, habe dazu beitragen sollen, “die Kosten für die Produktentwicklung” zu tragen”. Erst später soll der Got Bag auch den Ozeanen helfen. Ende 2018 veröffentlicht das Unternehmen zum Start seiner Crowdfunding-Kampagne ein bewegendes Video. Man sieht vergilbte Plastikflaschen im Meer treiben, die Got-Bag-Gründer sagen:
»Es wird Zeit, um zusammen etwas für unsere Ozeane zu tun. Und mit deiner Hilfe kann dieser Traum wahr werden.«
Schon im ersten Jahr nach Verkaufsstart erwirtschaftet das Start-up mehr als eine Million Euro. Im vergangenem Jahr lag der Umsatz im achtstelligen Bereich. Mit Gewinnspielen und Influencer-Werbung erreicht Got Bag vor allem junge Käufer, denen Nachhaltigkeit wichtig ist. Es produziert virale Hits wie etwa ein Video, auf dem es so aussieht als protestierten die Fische selbst gegen die Verschmutzung der Meere. Auf Instagram folgen dem Unternehmen inzwischen über 350.000 Menschen. Sogar die Plattform der Online Marketing Rockstars (OMR), in der Szene eine Art Mekka für Marketing-Trends, zeigt sich beeindruckt: “Got Bag spielt Instagram durch”.

Kann ein Rucksack wirklich helfen das Meer aufzuräumen?
Stimmen die Versprechen von Got Bag? Flip-Autorin Luise Land hat mit Meeresbiolog:innen, Textilforscher:innen und Recycling-Expert:innen gesprochen – und mit Got-Bag-Gründer Benjamin Mandos.