Was ist das Problem?
Es ist eigentlich ganz einfach: Werden Schuhe repariert, werden sie nicht weggeschmissen und damit auch weniger neue Schuhe gekauft. Das wiederum bedeutet weniger Müll und weniger CO2.
Allerdings ist es gar nicht so einfach, einen lokalen Schuhmacher:innenbetrieb zu finden. Ihre Zahl schrumpft seit Jahren. Das geht aus Daten des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) hervor. Im Jahr 2000 zählte der ZDH deutschlandweit 5.113 Betriebe, im Jahr 2022 sind es nur noch 1.670.
67 Prozent
weniger Schuhmacher:innenbetriebe gab es 2022, laut ZDH, im Vergleich zum Jahr 2000
Was ist das Konzept von Shoe Doc?
Das Unternehmen Shoe Doc bietet einen Online-Reparaturversand an. Es sitzt in Baden-Baden und ist aus der Maßschuh-Manufaktur Vickermann und Stoya hervorgegangen. Per Mail, per Whatsapp und per Instagram kann man Reparaturanfragen an das Unternehmen schicken. Die Schuhe werden im eigenen Karton oder in einer „Shoe Doc-Box“ verschickt und kommen per Post und in reparierter und/oder gereinigter Form wieder zurück. Das Unternehmen will es Kund:innen damit so leicht wie möglich machen, Schuhe reparieren zu lassen. Und anders als der Reparaturdienst Sneaker Rescue, über den Flip auch schon berichtet hat, repariert Shoe Doc jede Art von Schuhen, von den schwarzen Edelpumps über klobige Wanderschuhe bis hin zu Sneakern.
Mit den Reparaturen will Shoe Doc verhindern, dass Schuhe weggeworfen werden. Das sei nachhaltiger und günstiger als der Neukauf – und unterstütze zudem das Schuhmacherhandwerk. Anna-Maria Stefan, die Marketingmanagerin von Shoe Doc, erzählt, dass in den Werkstätten rund 7000 Schuhe pro Jahr repariert würden. Es sollen aber noch mehr werden. Dafür müsse man sich vom Image „der alten staubigen Werkstatt“ befreien und die Verbraucher:innen überzeugen.
»Der Kunde muss bereit sein, seinen Lieblingsschuh zu reparieren«
Anna-Maria Stefan, Marketingmangerin von Shoe Doc
Und funktioniert das auch?
Flip-Autorin Karolin Arnold hat die zentralen Versprechen des Unternehmens gecheckt. Sie hat dazu nicht nur mit der Marketingmanagerin Anna-Maria Stefan, sondern auch mit mehreren Expert:innen gesprochen.

Und: Sie hat den Service selber getestet. Dafür hat sie sich ein Paar vier Jahre alter hellblauer Reebok-Sneaker ausgesucht. Sie haben schon einige Clubbesuche hinter sich und auch das Festivalwochenende im letzten Jahr hat Spuren hinterlassen. Löcher innen an der Ferse, Löcher in der Sohle, Abrieb an der Seite.


Die Schuhe hat Karolin nicht eingeschickt, sondern direkt mitgebracht. Hinter einem edlen Verkaufsraum versteckt sich die erste Werkstatt. Drei Schumacher:innen werkeln hier gerade zwischen Wägen mit alten Schuhen, Holzregalen voller Werkzeuge und von der Decke hängenden Schuhrohlingen. Einer von ihnen, Martin Stoya, schleift erstmal mit einer Maschine die alte Sohle ab. Auch die neue Sohle wird stumpf geschliffen, damit der Kleber darauf hält. Leider ist die neue Sohle nur Vorführmaterial. Die passenden Sohlenfarbe für den Schuh hat Stoya nicht auf Lager.

Deshalb geht es erstmal ein paar Treppenstufen weiter nach oben. Dort mach sich Lisa Haag, ebenfalls Schuhmacherin, an das neue Fersenfutter des Schuhs. Dazu nimmt sie weißes Leder und schneidet ein großzügiges Stück daraus aus, klebt es in den Schuh und schlägt es um die Schuhkante herum. Nach dem Trocknen werde die Kante dann noch vernäht, ergänzt die Schuhmacherin.

Dann ist erstmal Schluss. Die Schuhe sollen fertig repariert und dann zu Karolin nach Hause geschickt werden. Zeit genug, sich ein paar grundsätzliche Fragen zu stellen:
Wie nachhaltig sind die Reparaturen von Shoe Doc?
Auf der Website des Unternehmens heißt es: „Unsere Reparaturen sind nachhaltig, darauf können Sie vertrauen“. Weitere Werbebotschaften, auf die man bei Instagram stößt, sind die Reduzierung von einer „Menge Müll“ und die Aussage, dass man sich mit einer Reparatur dazu entscheide, als Kund:in „klimafreundlich“ zu konsumieren. Das alles ist eher vage, im Kern aber richtig. Wenn reparierte Schuhe weitergetragen werden können und im Idealfall keine neuen dafür gekauft werden, spart das Müll und CO2 ein – und entspricht dem Gedanken einer Kreislaufwirtschaft.
Das Problem ist: Gerade die großen Hersteller von Sneakern haben an so einer Kreislaufwirtschaft wenig Interesse. Sie verkaufen lieber neue Schuhe. „In einer perfekten Welt wäre der Schuh so konzipiert, dass er reparierbar wäre“, sagt Anna-Maria Stefan, die Marketingmanagerin von Shoe Doc. In der Praxis aber kriegen die Schuhmacher:innen von den meisten Herstellern nicht mal Ersatzmaterialien zur Verfügung gestellt. Shoe Doc muss deshalb auf andere Unternehmen zurückgreifen. Eines davon ist der Sohlenproduzent Vibram. Stephan Seidenschnur von der Deutschen Schuhfachschule in Pirmasens kennt das Unternehmen. Die Sohlen seien robust und hätten wenig Abrieb. Das entspricht dem Versprechen von Shoe Doc, auf möglichst langlebige Materialien zu setzen, um die Lebensdauer der Schuhe zu verlängern.
Shoe Doc hat verschiedene Innenfutter für die Reparatur zur Verfügung darunter auch vegane Materialien. Doch da gebe es noch nicht so viel Auswahl, sagt Martin Stoya. Auch deshalb wird dort viel mit Leder gearbeitet. Kann Shoe Doc sein Versprechen dann trotzdem halten?
Das Leder sei „aus ökologischer Sicht nicht unproblematisch“, sagt Anna Falkenstein vom Umweltinstitut Ökopol. Andererseits sei es langlebig und gut reparierbar. So ist es wohl mit der Nachhaltigkeit: Man muss hier und da Kompromisse machen. Insgesamt aber können die Reparaturen von Shoe Doc zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.
Unterstützt man damit wirklich das Handwerk?
In einem Instagram-Post von Shoe Doc heißt es: „Du unterstützt das Handwerk, wenn du deine Schuhe zu Schuhmacher:innen bringst.“ Das ist sicher richtig. Aber wenn man sie zu Shoe Doc einschickt und nicht zum Schuster um die Ecke bringt, verschärft sich der Niedergang der Schuhmacher:innenbetriebe dann nicht noch? Und verursacht das Hin- und Hergeschicke nicht auch zusätzliche CO2-Emissionen? „Ökologisch ist es immer besser die Betriebe vor Ort zu unterstützen“, sagt Anna Falkenstein von Ökopol. Sie rät dazu, sich zuerst umzuschauen, ob man die Reparatur auch vor Ort erledigen könne. Seien keine Angebote vorhanden, seien Online-Reparaturservices der nächste Schritt. Diese hätten auch deshalb ihre Berechtigung, weil viele Betriebe vor Ort keine Sneaker reparieren würden. Solange die Schuhe nur innerhalb Deutschlands verschickt würden, seien die Emissionen zudem verkraftbar. Vor allem, wenn die Schuhe dann länger getragen werden, anstatt entsorgt zu werden.
Ähnlich sieht es Katrin Meyer, vom Verein „Runder Tisch Reparatur“, der sich mit verschiedenen Akteuren für ein gesetzlich verankertes „Recht auf Reparatur“ einsetzt. Sie schätzt Online-Schuhreparatuservices als wichtig für die Zukunft ein. Das Schuhhandwerk müsse „easy“ sein und dabei spielten Versandreparaturen eine wichtige Rolle. Das Problem der lokalen Schuhmacher:innenbetriebe sieht sie nicht nur im schrumpfenden Angebot, sondern auch darin, dass vielen Betrieben die nötige Online-Sichtbarkeit fehle.
Ist die Reparatur immer günstiger als ein Neukauf?
Das kommt, kurz gesagt, darauf an, wie kaputt die alten Schuhe sind. Einzelne Reparaturen bei Shoe Doc sind natürlich günstiger als der Neukauf eines Schuhs. Müssen aber mehrere Komponenten am Schuh repariert werden, kann das schon mal fast oder genauso teuer werden wie ein neues Paar Schuhe. Diese Erfahrung hat auch Flip-Autorin Karolin gemacht. Beim Auspacken ist sie erstmal positiv überrascht. Die Reeboks sehen viel besser aus als vor der Reparatur.
Shoe Doc aber wirbt auf Instagram mit Kund:innenstimmen, die sagen, dass ihre Schuhe nach der Reparatur besser aussehen als beim Neukauf. Das kann man für die Reeboks nicht sagen. Man sieht noch immer (vermutlich unvermeidbare) Gebrauchsspuren auf dem oberen Teils des Schuhs. Auch der Schuh insgesamt sieht anders aus als beim Neukauf. Die neue Sohle und auch das weiße Innenfutter machen die Reparatur sichtbar. Ein weiterer Punkt sind die Kosten. Die komplette Reparatur und die Reinigung haben zusammen rund 90 Euro gekostet. Auch wenn das exakte Schuhmodell aktuell nicht mehr verfügbar ist, liegt die Reparatursumme von 90 Euro ungefähr in dem Bereich, was der Schuh ursprünglich gekostet hatte und es kosten würden, diesen oder ein ähnliches Modell noch einmal zu kaufen.



Empfohlen von der Redaktion
Wer seinen Lieblingsschuh vor der Tonne retten will und vor Ort keinen passenden Reparaturbetrieb findet, ist bei Shoe Doc an der richtigen Adresse. Die Schuhmacher:innen aus Baden-Baden wollen die Reparatur so einfach wie möglich machen. Bei den Ersatzteilen achtet das Unternehmen auf langlebige Materialien. Wenn am Schuh viel gemacht werden muss, kann das allerdings auch recht teuer werden. Trotzdem ist der Reparaturservice eine klare Empfehlung der Flip-Redaktion. Je mehr repariert und desto weniger neu gekauft wird, desto nachhaltiger. Alle Experten:innen waren sich einig, dass Shoe Doc mit seinem Angebot dazu beitragen kann.
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