Idee: Warum neues Material verwenden, wenn wir bereits mit einem riesigen Müllproblem konfrontiert sind? Mit Produkten, die „hauptsächlich aus Abfall” gefertigt werden, möchte Ecoalf dem „sorglosen Umgang mit Ressourcen” den Kampf ansagen und das gesellschaftliche Bewusstsein schärfen.
Impact: Ecoalfs Recycling-Ansatz ist grundsätzlich sinnvoll. Das Unternehmen nutzt hunderte Recycling-Materialien und spart damit natürliche Ressourcen ein. Auf der Website gibt Ecoalf sogar bis auf mehrere Nachkommastellen genau an, wie viel Wasser und CO2 jedes Sneaker-Modell einsparen soll. Für Ecoalfs Meeresplastik-Projekt sammeln Fischer:innen Müll als Beifang aus dem Meer. Dabei kommen aber offenbar auch umstrittene Grundschleppnetze zum Einsatz.
Glaubwürdigkeit: Ecoalf lehnt sich mit seinen Werbebotschaften teilweise ziemlich weit aus dem Fenster. Aber nicht alle Behauptungen hat Ecoalf auf seiner Website transparent belegt. Auch auf Nachfrage stellt das Unternehmen die Berechnungen für seine detaillierten Zahlen nicht zur Verfügung. Hier könnte Ecoalf in Zukunft also noch transparenter sein.
Was ist die Mission des Unternehmens?
Die Geschichte von Ecoalf beginnt 2009 in Madrid mit der Geburt der Söhne von Javier Goyeneche. Nach ihrer Geburt, so schreibt der Ecoalf-Gründer es auf der Website des Unternehmens, wollte er „eine wirklich nachhaltige Modemarke” schaffen. Das Ziel: Recycling-Mode, die nicht so aussieht und so den sorglosen Umgang mit Ressourcen beenden.
Heute gilt Goyeneche als der „Wegbereiter für Recycling-Mode“ . Der Ecoalf-Gründer hält unzählige Vorträge, kooperiert mit den ganz Großen wie Apple oder Starbucks. Er gründet eine Non-profit Organisation namens Ecoalf Foundation, ruft die Initiative Upcycling the Oceans ins Leben, um Meeresböden von Müll zu befreien, und sucht nach immer neuen Wegen, Material zu recyceln.
Rund 160 Mitarbeiter:innen gehören inzwischen zum Ecoalf-Kosmos. Diese besteht aus den Säulen Innovation, Design und Nachhaltigkeit, dreht sich um Werte wie Kohärenz, Transparenz und Integrität. Denn, so schreibt Ecoalf: „Wir existieren, um unsere natürlichen Ressourcen zu schützen und eine nachhaltige Lifestyle-Marke zu schaffen, die mit jedem Produkt den Wandel vorantreibt.” Zu diesen Produkten zählt auch ein umfassendes Sortiment an Sneakern. Jährlich verkauft Ecoalf mehr als 220.000 Paar. Das Unternehmen verfolgt einen klaren Öko-Ansatz und ist damit erfolgreich: 2021 machte Ecoalf einen Umsatz von 37,48 Millionen Euro.
Funktioniert das auch?
Um das herauszufinden hat Flip-Autorin Hannah Purner sich ausführlich mit Carol Blázquez ausgetauscht. Blázquez ist Nachhaltigkeits-Chefin bei Ecoalf und arbeitet seit 2012 an Goyeneches Seite.
Verbraucht Ecoalf „so wenig natürliche Ressourcen wie möglich”?
Recyclingprozesse bewirken, dass Material, das sich bereits im Kreislauf befindet, auch weiterhin dortbleibt und weniger neues benötigt wird. Das soll Ressourcen sparen. So die Idee. Und Ecoalfs Hauptziel . Auf seiner Website schreibt Ecoalf: „Wir sind stolz darauf, so wenig natürliche Ressourcen wie möglich zu verbrauchen” .
Im Online-Shop rechnet Ecoalf tatsächlich für jedes Produkt bis auf mehrere Nachkommastellen genau vor, wie viel Wasser und Energie dieses angeblich einspart, pro Sneakerpaar etwa Einsparungen von mehreren Kilogramm CO2 und bis zu tausend Liter Wasser. Allein die Herbst- und Winterkollektion 2022 soll zwölf Milliarden Liter Wasser und 2.481 Tonnen CO2 eingespart haben. Die Zahlen auf der Website wirken also in der Tat ziemlich beeindruckend. Allerdings gibt Ecoalf weder an, auf welcher Datengrundlage diese Zahlen beruhen – noch auf welchen Vergleichswert sie sich eigentlich beziehen.
Auf Nachfrage teilt das Unternehmen mit, dass die Berechnungen von BCome, einer externen Plattform für Nachhaltigkeitsmanagement, beruhen würden. Einen konkreten Beleg für die Zahlen liefert das Unternehmen allerdings nicht. Hier könnte Ecoalf in Zukunft also noch ein wenig transparenter kommunizieren.
Sind die Sneaker aus recycelten Materialien?
Ecoalf suche „stets die Innovation und Nachhaltigkeit bei jeder Kreation”, heißt es auf der Website. Im Zuge dessen will es „hauptsächlich Abfälle als Rohstoffe” verwenden. Welche Abfälle das sind, scheint dabei ziemlich egal zu sein: Es ist etwa von alten Plastikflaschen, Autoreifen und Fischernetzen die Rede. Über 500 recycelte Stoffe hat Ecoalf laut Website bereits entwickelt. Aber: Wie viel davon stecken eigentlich in den Sneakern?
Ecoalf erwähnt uns gegenüber öfter das Prince Knit Modell . Darauf scheint das Unternehmen besonders stolz zu sein. Und tatsächlich: Im Vergleich zu herkömmlichen Sneakern, die teilweise zahlreiche verschiedene Materialien beinhalten , besteht Ecoalfs Vorzeigemodell nur aus fünf. Je weniger Materialien und je reiner diese sind, desto leichter sei es, sie wieder zu recyceln, sagt Robert Groten, Professor für Textile Technologien an der Hochschule Niederrhein. Außerdem wird das Obermaterial aus Meeresplastik gestrickt. Im Gegensatz zu Geweben sei Strick ein guter Ansatz, meint er. Im Idealfall „ist das wie bei Omas selbstgestrickten Pullis: Am Ende kann ich einfach am Faden ziehen. Die Maschen lösen sich von selbst und ich kann den Pulli wieder zu einem Wollknäuel machen”, erklärt Groten weiter. Zwei der insgesamt 21 Sneaker-Modelle von Ecoalf werden so gefertigt. Was ist mit dem Rest?
Das Unternehmen teilt uns mit, dass für alle Modelle im Schnitt gelte: 70 Prozent des Oberschuhs und 35 Prozent der Sohle seien aus recycelten Materialien gefertigt. Eine genauere Liste, um diese Zahlen nachvollziehbar zu machen, will Ecoalf auf Anfrage nicht zur Verfügung stellen. Ob Ecoalfs Sneaker also „hauptsächlich aus Abfall” bestehen, wie das Unternehmen verspricht, können wir nicht weiter prüfen. Wir bitten die Professorin für nachhaltige Textilien Matthäi um eine Gesamteinschätzung anhand ihrer Expertise und der Produktbeschreibungen im Webshop. „Ich sehe viele verschiedene Kunststoffe”, sagt sie und verweist auf das Modell Cervino . Das habe Auswirkungen auf die Recyclingfähigkeit: Wenn der Schuh kaputt ist, könne man die Materialien nur schwer voneinander trennen. Für sie sei „fraglich, ob sich das Unternehmen beim Design der Schuhe über die Recyclingfähigkeit Gedanken gemacht hat”.
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