Sie ist eine Ikone. Die blaue Farbe, die orangenen Nähte, die Nieten an den Taschen. Sie wurde von Volksmusiker Udo Jürgens besungen und sogar Angela Merkel erklärte ihr einmal die Liebe, vor dem gesamten US-Kongress. Die Jeans ist eine Art Rockstar in der Modewelt. Kein Kleidungsstück verkauft sich besser. Jede Sekunde gehen weltweit etwa 600 Jeans über die Ladentheke. 4,3 Milliarden Meter Jeansstoff wurden letztes Jahr dafür gewebt, eine Stoffbahn, mit der man die Erde einhundert Mal umwickeln könnte. Die Jeans ist das populärste Kleidungsstück der Welt. Doch in der Branche gilt sie auch als das schmutzigste.
Bereits beim Anbau der Baumwolle werden Unmengen an Wasser verbraucht und giftige Pestizide eingesetzt. Die Menschen, die die Jeans herstellen, werden oft schlecht bezahlt. Und in den Wäschereien und Fabriken kommen so viele gefährliche Chemikalien zum Einsatz, dass inzwischen ganze Städte verschmutzt sind. Die Jeans steht somit auch stellvertretend für eine Fast-Fashion-Branche, die Mensch und Umwelt massiv schadet. Doch eigentlich müsste das gar nicht so sein, zumindest nicht bei der Jeans. Viola Wohlgemuth beschäftigt sich bei der Umweltorganisation Greenpeace seit vielen Jahren mit der Modebranche. Sie kennt die Umweltprobleme, für die die Jeans verantwortlich ist. Aber sie sagt: “Eigentlich ist eine Jeans recht nachhaltig.” Schließlich sei sie robust, langlebig und aus Baumwolle, einem nachwachsenden Rohstoff. Sie sagt:
Die Jeans an sich ist nicht das Problem, sondern das, was die Textilindustrie aus ihr gemacht hat. Viola Wohlgemuth, Greenpeace
Kann man eine Jeans also auch so herstellen, dass sie der Umwelt keinen Schaden zufügt? Dass keine Menschen ausgebeutet werden und ohne dass Arbeiter:innen bei der Produktion giftigen Chemikalien ausgesetzt sind? Anders gefragt: Kann man das schmutzigste Kleidungsstück der Welt auch sauber produzieren?
Diesen Fragen ist Flip in einer mehrwöchigen, konstruktiven Recherche nachgegangen. Die Suche nach Antworten führte zu zahlreichen Menschen und Unternehmen, die es bereits besser machen als die Fast-Fashion-Giganten. Einige von ihnen wollen wir euch vorstellen. Ihre Lösungsansätze knüpfen an die wichtigsten Probleme bei der Jeans-Produktion an. Und ihre Geschichten, so klein sie auf den ersten Blick auch wirken mögen, erzählen viel über eine Branche, die sich dringend verändern muss. Sie stehen exemplarisch für Dutzende Menschen und Firmen, die jeden Tag an dieser Transformation arbeiten.
Zunächst aber muss man verstehen, warum die Jeans das schmutzigste aller Kleidungsstücke ist. Das sind die fünf größten Probleme bei der Jeans-Produktion:
Es ist also nicht die Pflanze selbst, sondern die enorme Menge an Baumwollpflanzen, die für den enormen Wasserverbrauch sorgt. Welche Schäden das anrichtet, kann man zum Beispiel in Usbekistan beobachten. Dort werden seit fast 100 Jahren Baumwollfelder mit Wasser aus dem Aralsee bewässert. Wo einst einer der größten Seen der Welt lag, ist heute nur noch eine Salzwüste: Der Aralsee ist fast vollständig ausgetrocknet.
Um die hohe Nachfrage zu decken, werden auch viele Pestizide eingesetzt. Die Mittel töten alles ab, was dem Ertrag schadet: Pilze, Insekten, andere Pflanzen. Mit dem Regen und der Witterung gelangen diese Mittel in den Boden, die Luft und ins Grundwasser. „Die Pestizide und die Insektizide machen mir wirklich Sorgen“, sagt Thomas Bechtold. Er ist Leiter des Forschungsinstituts für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck: „Diese Stoffe möchten wir wirklich nicht in unserem Trinkwasser haben.“ Es ist also auch der Einsatz von Pestiziden, der den Baumwollanbau umweltschädlich macht.
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Problem 2: Die tödliche blaue Farbe
Egal, wo auf der Welt man eine Jeans kauft, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie schon einmal in Xintang war. Xintang ist eine Kleinstadt im Süden Chinas. Ein Ort, an dem Jeanshosen gefärbt, genäht, gebleicht, gewaschen, bedruckt, abgerieben und kunstvoll zerschlissen werden. Xintang wird als „Welthauptstadt der Bluejeans“ bezeichnet. Mehr als 260 Millionen Hosen werden hier jedes Jahr produziert. Ein anderer Name, den man dem Ort gegeben hat, ist „Die Stadt am blauen Fluss“, am Ink-River, dem Fluss voller Tinte. Denn die blaue Farbe und all die Chemikalien, die beim Färben der Garne und der Jeans verwendet werden, gelangen dort mangels Kläranlagen kaum oder gar nicht gefiltert in die Flüsse. Auf Satellitenbildern sieht man, wie mitten aus dem Herzen der Stadt durch den Fluss Dong tiefblaue Farbe in den großen Perlfluss strömt.
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