Was ist das Problem?

Jeder dritte Deutsche mag sein Eis am Liebsten im Becher, braucht zum Essen also einen Löffel. Die Folge: Mehr als 360 Millionen der bunten Plastikschäufelchen landen jährlich allein in Deutschland nach nur einmaligem Gebrauch im Müll. Das haben Julia Piechotta (26) und Amelie Vermeer (25), die Gründerinnen von Spoontainable, anhand eigener Händlerbefragungen hochgerechnet.

Die Eislöffelchen sind also ein Teil des Plastikproblems. Sie zersetzen sich nur langsam, dringen in die Bio-Kreisläufe ein und vermüllen unseren Planeten. Die EU-Kommission hat von Expert:innen untersuchen lassen, welcher Kunststoff-Müll am häufigsten an Land schwemmt und eine Liste von zehn Gegenständen erstellt, dazu gehört auch Einweggeschirr. Ab Juli 2021 sind solche Einweg-Plastikprodukte EU-weit verboten. Es braucht also Alternativen – bald auch gesetzlich vorgeschrieben.

Was ist der Ansatz von Spoontainable?

Streng genommen sind auch die Spoontainable-Löffel ein Einmal-Produkt. Nur sollen sie nicht im Müll, sondern im Magen landen. Der erste essbare Eislöffel, vegan, nachhaltig, plastikfrei – so das Versprechen. Andere Alternativanbieter setzen auf Holz oder Bio-Plastik, also etwa Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen.

Zwei Sorten gibt es bei Spoontainable: einen Schoko-Löffel aus Kakaoresten und eine geschmacklich neutralere Version aus Hafer.

Der "Spoonie Classic" ist auf Haferfasern (links) und der "Spoonie Choc" besteht auf Kakaoschalen (rechts).

Entstanden ist der „Spoonie“ Anfang 2018 in der WG-Küche von Julia Piechotta und Amelie Vermeer. Die Mitbewohnerinnen studierten damals noch Management an der Universität Hohenheim, aßen beide gerne Eis und fragten sich, ob man die Plastiklöffelchen nicht ersetzen könnte. Sie experimentierten zunächst mit Keksteig und einem Bierglas als Nudelholz-Ersatz. Die Konsistenz aber wollte nicht so recht passen, also nahmen sie balaststoffreiche Beiprodukte aus der Kakao- und Haferproduktion, sogenannte biogene Reststoffe.

Die Grüderinnen ließen sich den Spoonie patentieren, sammelten 10.000 Euro per Cowdfunding ein, gründeten ihre eigene UG – quasi eine kleine GmbH mit wenig Startkapital, gut geeignet für Gründer:innen – schrieben ihre Masterarbeit zwischen Flughäfen und Start-up-Messen, fanden mit Coppenrath Feingebäck bald einen Produzenten und haben mittlerweile fast zwei Millionen Löffel verkauft.

»Der essbare Eislöffel ist ein Produkt, das jeder versteht. Und wir konnten direkt mit den Eisdielen sprechen. Daher war er für uns ideal, um in den Markt einzusteigen.« Julia Piechotta, Gründerin

Dabei aber soll es nicht bleiben. Perspektivisch will Spoontainable sämtliches Einweg-Geschirr durch essbare Alternativen ersetzen.

»Wir wollen Marktführer für Plastikalternativen werden. Eine komplette Produktpalette für Besteck und Geschirr ist bereits geplant.« Amelie Vermeer, Gründerin

Wie viel Potenzial hat das?

Das wollten wir natürlich wissen! Und haben uns mit den beiden Unternehmerinnen in ihrem Büro in einem Gründerzentrum in Heidelberg getroffen.

Mit Maske, Abstand und Choco-Spoonie: Flip-Autor Fabian Huber (links) mit den Spoontainable-Gründerinnen Amelie Vermeer (mitte) und Julia Piechotta (rechts)

Hier ein paar Punkte, die wir wichtig finden:

1. Das Start-Up nimmt, was sonst keiner braucht

Zu gut einem Viertel bestehen die Löffel aus Schalenresten der Kakao- und Haferproduktion. Sie sorgen für die Stabilität des Löffels. Es sind Stoffe, die – wenn sie nicht als Tierfutter oder Düngemittel Verwendung finden – oft nicht wiederverwertet werden und im Abfall landen. Dabei geht es um große Mengen. 4,5 Millionen Tonnen Kakaobohnen werden jährlich weltweit geerntet. 15 Prozent des Gewichts macht die (sonst oft ungenutzte) Kakaoschale aus.

Neben den Schalenresten bestehen die Löffel aus Mehl, Süßungsmittel und Öl. Am besten – das ist ja die Idee der Löffel – isst man sie einfach auf. Man kann sie aber auch kompostieren. Und selbst im normalen Abfall haben sie laut der Gründerinnen noch immer eine deutlich bessere Ökobilanz als Plastiklöffel.

Ach ja, alle CO2-Emissioneen, die bei der Herstellung der Löffel entstehen, werden von Spoontainable mit Investitionen in ein Trinkwasserprojekt in Indien ausgeglichen. Über 19 Tonnen CO2 wurden so bereits kompensiert.

2. Erst Eisdielen, dann Händler, jetzt Aldi

Angefangen hat Spoontainable mit dem Verkauf an einzelne Eisdielen. 300 waren es Ende 2019. Schon bald aber haben sich Julia Piechotta und Amelie Vermeer ein Netz an Händlern aufgebaut, über die sie ihre Spoonies nun vorwiegend vertreiben – in 12 europäische Länder, von Portugal bis in die Slowakei.

Die Gründerinnen beschäftigen mittlerweile eine feste Mitarbeiterin sowie vier Werkstudent:innen und Praktikant:innen. Dicke Gewinne wirft das Geschäft noch nicht ab, deckt aber die Kosten. Für das weitere Wachstum hat sich Spoontainable auch Investoren ins Boot geholt und eine zweite Crowdfunding-Aktion gestartet.

Nun will das Unternehmen auch an die ganz Großen ran. Auch McDonald’swar mal kurzeitig im Gespräch. Spoontainable war unter den letzten drei Bewerbern um den neuen, plastikfreien Eislöffel der Fastfood-Kette, erzählen die Gründerinnen. „Am Ende hat sich McDonalds’s dann aber doch für einen anderen Löffel entschieden, aus Kostengründen“, sagt Amelie Vermeer.

Bei Aldi hat es dagegen geklappt: Seit zwei Wochen gibt es den Spoonie beim Discounter – als Zugabe zu einem veganen Schokopudding aus Lupinenkernen. Weitere Kooperationen sollen folgen.

Möglichkeiten zum Wachsen sieht Spoontainable auch in der Corona-Krise. Zwar setzt die Pandemie vielen Eisdielen zu, dafür essen mehr Menschen Eis zu Hause. Seit Kurzem gibt es die Spoonies nicht mehr nur in Kartons für Großkunden, sondern auch in 35-Löffel-Dosen für Endverbraucher.

3. Kleine Schwächen

Spoontainable kann nicht garantieren, dass ihr Kakao Fairtrade gehandelt wurde. Ihre Partner, die die Kakaoschalen aufbereiten, beziehen den Rohstoff schlicht aus der gesamten europäischen Lebensmittelindustrie.

»Noch nehmen wir so geringe Menge ab, dass wir wenig Einfluss auf unsere Lieferanten haben. Perspektivisch aber ist Fair Trade für uns ein wichtiges Thema« Julia Piechotta, Gründerin

Und auch die Deckel der kleinen Spoonie-Verpackungsdosen für Endverbraucher sollen bald nicht mehr aus Plastik, sondern aus Weißblech bestehen.

Und was sagt der Experte?

Wir haben mit Tom Ohlendorf gesprochen, Verpackungsexperte beim WWF.

Im Vergleich zur Löffel-Konkurrenz, sagt er, habe der Spoonie zwei Vorteile:

»Er ist aus Nebenprodukten. Ich kann ihn essen. Das ist beides grundsätzlich gut.«

Holzlöffel seien meist beschichtet, Bio-Plastik-Löffel mitunter gar nicht so bio. Denn der Begriff sei nicht einheitlich definiert. Ein Bio-Kunststoff könne auch aus Erdöl bestehen oder aus nachwachsenden Rohstoffen, die aber nicht kompostierbar sind. Grundsätzlich findet er die Idee essbaren Geschirrs und Bestecks super. Beim Eislöffel stellt er sich aber eine grundsätzliche Frage:

»Brauche ich dieses Produkt wirklich? Draußen kann ich mein Eis in der Waffel essen, zu Hause mit dem herkömmlichen Löffel.«

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