Was ist das Problem?

Landwirt:innen kümmern sich das ganze Jahr über um ihre Felder, Pflanzen, Tiere. Das kostet viel Mühe und Geld. Was sie dabei ernten, wird trotzdem zu Spottpreisen in Supermärkten angeboten. Wie kann das sein? In den traditionellen Lieferketten haben die Landwirt:innen kaum eine Chance, faire und gute Erlöse zu erzielen. Zu viele Zwischenhändler:innen wollen mitverdienen und diktieren die Preise. Im Grunde sind Landwirt:innen erpressbar. Sie haben kaum Möglichkeiten, ihre Produkte zurückzuhalten, bessere Preise abzuwarten und sie dann im richtigen Moment zu verkaufen. Milch, Obst, Gemüse: Die meisten landwirtschaftlichen Produkte sind verderblich. Wer keine große Lagerhalle oder Kühlhäuser hat, muss seine Produkte loswerden, bevor sie verderben.

Zwar können sich Landwirt:innen auch mit sogenannten Termingeschäften absichern, bei denen sie teilweise Jahre im Voraus wissen, wie viel sie an wen verkaufen können. Gerade für kleine Betriebe lohnt sich der Aufwand aber oft nicht. Sie stehen vor jeder Ernte vor der Unsicherheit, wie viel sie verkaufen können und vor allem: zu welchem Preis. Selbstständige Kleinbäuer:innen verdienen oft weniger, als der Anbau kostet. Die Landwirtschaft lohnt sich dann kaum noch für sie. Vor allem kleine Betriebe müssen deshalb immer häufiger schließen.

185.000 landwirtschaftliche Betriebe haben zwischen 2001 und 2020 in Deutschland geschlossen.

Was ist der Ansatz von Crowdfarming?

Gabriel und Gonzalo Úrculo haben sich 2010 dazu entschieden, die verlassene Orangenplantage ihres Großvaters in Valencia wieder zu bewirtschaften. Von Anfang an war klar, dass sie das biologisch und nicht konventionell machen wollen. Doch dafür fehlte ihnen das Geld. Die Hälfte der Bäume war abgestorben und die Úrculo-Brüder mussten neben der Landwirtschaft noch einen zweiten Job machen, um genug zu verdienen. Also fragten sie ihre Familie, Freund:innen und die ersten Kund:innen aus ihrem Dorf, ob sie einen Orangenbaum adoptieren möchten. Jede Person, die einen Orangenbaum gegen Geld adoptierte, durfte diesem einen Namen geben, seine Entwicklung und die Ernte verfolgen und konnte die Orangenernte zu sich nach Hause bestellen.

2017 entschieden sich die Úrculos, allen Landwirt:innen diese Möglichkeit zu geben und gründeten die Plattform Crowdfarming: Eine Art digitaler Bauernmarkt, auf dem die Landwirt:innen ihre Produkte direkt verkaufen können – zu fairen Preisen, die sie selbst bestimmen. Die Idee des Direkthandels gibt es eigentlich schon sehr lange. Doch mit ihrer Plattform wollen die Úrculos es Landwirt:innen auf der ganzen Welt so einfach wie möglich machen, ihre Produkte ohne den Zwischenhandel zu verkaufen.

»Unsere Vision ist es, die nachhaltigste Lebensmittel-Lieferkette der Welt aufzubauen.« Gonzalo Úrculo, Crowdfarming

Das Prinzip von Crowdfarming ist simpel: Konsument:innen übernehmen eine Patenschaft zum Beispiel für einen Obstbaum, ein Bienenvolk oder ein Schaf und erhalten die komplette Ernte. Sie bekommen die Ware direkt bis vor ihre Haustür geliefert, wissen genau, wo die Produkte herkommen und wer sie wie herstellt. Die Landwirt:innen informieren ihre Kundschaft darüber, wie die Ernte läuft. Das soll auch für mehr Bewusstsein für landwirtschaftliche Arbeit sorgen. Bei Crowdfarming können Konsument:innen zum Beispiel Obst und Gemüse, Gewürze, Öl, oder Honig kaufen. Sie können entscheiden, ob sie direkt eine Patenschaft abschließen oder erst mal nur eine einzelne Box bestellen.

Gonzalo und Gabriel Úrculo haben Crowdfarming gegründet. Foto: Crowdfarming

Die Úrculo-Brüder haben mittlerweile schon eine Warteliste mit Farmer:innen, die über die Crowdfarming-Plattform ihre Produkte verkaufen wollen. In den letzten Jahren ist die Nachfrage so groß geworden, dass das Team von Gabriel und Gonzalo Úrculo bereits 185 Mitarbeiter:innen zählt. Zu ihrer Plattformen gehören 258 Farmer:innen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Portugal, den Philippinen, Kolumbien, Georgien und aus Spanien. Fast 400.000 Patenschaften sind derzeit aktiv. Dieses Jahr werden sie ca. 1,5 Millionen Boxen verkaufen, schätzt Gonzalo Úrculo.

Und ist das sinnvoll?

Um diese Frage zu beantworten, hat Flip-Autorin Carmen Maiwald ein ausführliches Gespräch mit Crowdfarming-Gründer Gonzalo Úrculo geführt und eine Expertin befragt, was sie von der Idee hält.

Wie gut sind die Produkte?

Ein direkter Verkauf bedeutet oft, dass keine Instanz dazwischen liegt, die die Qualität der Produkte überprüft, was sonst zum Beispiel die Supermärkte übernehmen. Beim Direktverkauf müssen sich Konsument:innen in der Regel darauf verlassen, dass die geltenden Regeln in der EU eingehalten und zum Beispiel keine verbotenen Pestizide eingesetzt werden. So fand Öko-Test in Orangen von einem Direktanbieter vor einigen Jahren eines dieser Pestizide. Um ihre Kund:innen zu schützen, haben Gabriel und Gonzalo Úrculo daher ihr eigenes Testverfahren entwickelt.

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