Die Gründer:innen von Beeskin sehen sich als Opfer eines Skandals. Hinter einem Verkaufsverbot ihrer Bienenwachstücher vermuten sie den Einfluss der Plastiklobby. Wir haben den Fall rekonstruiert.
Christina und Christian Sauer haben die Schnauze voll. „Wir überlegen die Firma zuzumachen, weil die Plastiklobby einfach zu stark scheint in Deutschland”, heißt es im Unternehmensblog von Beeskin, nach eigenen Angaben Europas führender Hersteller von Bienenwachstüchern. Mehr als 10.000 der plastikfreien Alternativen zur Frischhaltefolie kann das vom Ehepaar gegründete Unternehmen in seiner Berliner Fabrik laut Website täglich produzieren. Zu kaufen gibt es sie unter anderem bei Rossmann, Kaufland, Aldi, Rewe und Edeka.
Und doch: Im Vergleich zur milliardenschweren Kunststoffindustrie ist Beeskin ein Zwerg. Einer, der von der Plastiklobby zermalmt werden soll. So empfinden es zumindest Christina und Christian Sauer. Sie sehen sich als Opfer eines Skandals, über den kaum jemand berichtet. „Mit der reichen Industrie”, schreibt Christina Sauer auf dem Beeskin-Blog, „nehmen es eben auch Journalisten ungern auf.”
Was genau passiert ist? Das ist gar nicht so leicht zu entwirren. Angefangen hat alles ziemlich harmlos. In ihrer Küche, mit Bügeleisen und Backofen, fängt Christina Sauer 2018 an, erste Bienenwachstücher herzustellen. Sie hat diese in den USA entdeckt – und will sie nun selbst in Deutschland produzieren. Ihr Mann, Christian Sauer, zieht sich zum Tüfteln in den Keller zurück. Das Ergebnis ist eine Maschine, mit der die Tücher schneller hergestellt werden können. Von da an geht’s bergauf. 2020 hat Beeskin rund 20 Mitarbeiter:innen und erzielt einen siebenstelligen Umsatz. Verkauft werden die Tücher Anfang diesen Jahres in mehr als 30.000 Verkaufsstellen in ganz Europa. „Wir haben bis jetzt über 150.000 km Plastikfolie ersetzt – damit könnte man unsere Erde mehr als dreimal entlang des Äquators umrunden”, berichtet Christina Sauer in einem Interview.
Dann aber kommt die Vollbremsung. Am 8. August 2023 untersagt das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin der Beeskin GmbH mit „sofortiger Wirkung das Inverkehrbringen sämtlicher Bienenwachstücherprodukte, welche dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen”. Das Unternehmen darf also nichts mehr verkaufen. Bei Beeskin ist man geschockt. „Wir sind noch immer sprachlos über das Schreiben, das wir heute Morgen erhalten haben”, postet Christina Sauer am 9. August auf dem Unternehmensblog. Zwei Tage später schreibt ihr Mann eine E-Mail an Flip.
Man habe eine Verbotsverfügung erhalten, »weil – haltet euch fest – unsere Bienenwachstücher nach Bienenwachs riechen« Christian Sauer, Mitgründer von Beeskin
Das klingt absurd, so wie die ganze Geschichte, in der nicht nur professionelle Schnüffler:innen, sondern auch das Landeskriminalamt (LKA) eine Rolle spielt. Christian Sauer schreibt an Flip: „Wir fühlen uns von Plastikschutzbehörden verfolgt.”
Stecken die Behörden also tatsächlich mit der Plastiklobby unter einer Decke? Oder sind die Bienenwachstücher doch gar nicht so harmlos, wie der Hersteller behauptet? Flip hat mit Christian Sauer, den Behörden und Expert:innen gesprochen. Das Ergebnis ist die Rekonstruktion eines Vorgangs, in den so viele Behörden und Ämter eingebunden waren, dass es einem schon fast kafkaesk vorkommen kann. Auf der anderen Seite geht es um etwas, das uns alle betrifft: die Sicherheit von Lebensmitteln. Und einen schwerwiegenden Vorwurf. Denn sollten die Behörden plastikfreie Produkte tatsächlich systematisch diskriminieren, wäre das in der Tat ein Skandal.