Auf einen Blick

Idee: Genesis will die Sneakerproduktion „komplett umdrehen“, deshalb ist die Marke nach der biblischen Schöpfungsgeschichte benannt. Die Sneaker sollen etwa unter “besten Arbeitsbedingungen” und aus “nachhaltigen Materialien auf dem allerhöchsten Level” entstehen. Kurzum: Genesis will „die wahrscheinlich nachhaltigste Sneaker-Marke der Welt“ sein.

Impact: Das Unternehmen setzt auf pflanzliche Lederalternativen aus Abfallprodukten der Landwirtschaft, etwa aus dem Mais- und Zuckerrohranbau. Grundsätzlich eine gute Sache, meinen Expert:innen. Doch die Lederalternativen haben auch Nachteile, etwa eine kürzere Lebensdauer. Wie genau die vielen auf der Website gelisteten Materialien zusammengesetzt sind, bleibt indes auch nach längerer Recherche unklar.

Glaubwürdigkeit: Das Marketing von Genesis setzt in jeder Hinsicht auf Superlative und Gründer Huesken lässt im Interview wenig Selbstzweifel erkennen. Auf konkrete Nachfragen kann er vollmundige Aussagen nicht belegen, etwa was den vermeintlich sehr geringen CO2-Fußabdruck angeht.

Was ist die Mission des Unternehmens?

Schuhe macht Jens Huesken schon lange. 17 Jahre lang arbeitete er als Zwischenhändler und Dienstleister in der Sneaker-Branche. Betroffen erzählt er von steigenden Materialpreisen und dem Druck, die Treter dennoch günstig verkaufen zu müssen. Von der permanent schlechter werdenden Qualität der Schuhe und der Suche nach immer billigeren Produktionsstätten. Dann, 2019, gründet er ein neues Unternehmen. Er nennt es Genesis, so wie das erste Buch Mose in der Bibel. Denn Huesken will neu anfangen, alles anders machen, er will „das Ganze komplett umdrehen”.

Die Sneaker von Genesis werden in einer Fabrik in China hergestellt. Foto: Genesis

Damals, so erzählt er es heute leidenschaftlich, hätte er einen Plan gefasst, der mit seinen vielen Superlativen schon fast größenwahnsinnig klingt: „Ich nehm’ die fairste Fabrik, die ich kenne, mit den besten Arbeitsbedingungen, nehm’ nur noch nachhaltige Materialien, auf dem allerhöchsten Level, das überhaupt möglich ist, und der Preis ist nachrangig. Der Schuh kostet dann einfach, was er kostet.” 

Heute kosten die Sneaker von Genesis zwischen 100 und 150 Euro .

Das Unternehmen beschäftigt elf Mitarbeiter:innen und verkauft rund 40.000 Paar Sneaker pro Jahr. Eine ganze Menge. Das mag auch daran liegen, dass Huesken sehr vollmundig kommuniziert. So malt er mit allen Farben der Nachhaltigkeitspalette das Bild einer „neuen Sneaker-Brand, die sich auf Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen unserer Welt konzentriert, ohne dabei auf guten Style zu verzichten oder Kompromisse beim Design einzugehen.“ Bei Genesis gibt es angeblich von allem etwas und davon nur das Beste. Ist das Unternehmen damit vielleicht wirklich „die wahrscheinlich nachhaltigste Sneaker-Marke der Welt”, so wie es auf der Website steht?

Und funktioniert das auch?

Auf seiner Website und in einem ausführlichen Fragebogen, den wir Genesis geschickt haben, verspricht das Unternehmen eine ganze Menge. Vor allem für die Zukunft. Flip-Autorin Hannah Purner hat daher mit Jens Huesken gesprochen, um zu erfahren, was das Unternehmen heute schon tut, um seine Kernversprechen einzuhalten.

Produziert Genesis unter fairen Arbeitsbedingungen?

Eines der Kernversprechen von Genesis lautet, unter fairen Arbeitsbedingungen zu produzieren . „Alle im Herstellungsprozess verwendeten Materialien”, heißt es auf der Website des Unternehmens, „werden in Fabriken hergestellt, für die Nachhaltigkeit und Menschenwürde oberste Priorität besitzen.” Wo und wie genau Genesis produziert, veröffentlicht das Unternehmen nicht. Auf der Website heißt es nur, man lasse die Schuhe in Spanien und Asien herstellen, wobei sich die asiatische Fabrik „nach europäischen Standards” richte. Im Gespräch verrät Gründer Jens Huesken, dass es sich bei der Fabrik um einen Familienbetrieb in China handele. Den konkreten Namen nennt er uns jedoch nicht. Eine Produktion in Asien habe den Vorteil, dass gleich das fertige Produkt nach Europa verschifft werden könne.

Flip hat für eine Einschätzung mit Monika Eigenstetter von der Hochschule Niederrhein gesprochen. Sie ist dort Leiterin des Instituts für Arbeitssicherheit, Gesundheitsförderung, Umweltschutz und Ethik. Ihr Fazit: „Solange man sich nicht vor Ort mit eigenen Augen überzeugt hat, kann man dazu nichts sagen. Auch in Asien gibt es Fabriken, die sehr gut geführt werden. Auszeichnungen können ein Merkmal für gute Arbeitsstandards sein, müssen es aber nicht.” Denn Arbeitsbedingungen sind im Gegensatz zur Umweltbelastung nur schwer objektiv messbar.

Der Familienbetrieb der chinesischen Provinz Fujian ist laut Genesis durch die Business Social Compliance Initiative (BSCI) ausgezeichnet, ein Programm des Wirtschaftsverbands amfori zur Verbesserung der sozialen Standards der weltweiten Wertschöpfungskette . Die einzelnen Assessment Abschnitte sind auf der Website von Genesis zu finden . Die Fabrik erhält insgesamt Grad B. Die zweitbeste Note. Lavinia Muth, selbstständige Beraterin, Referentin und Ausbildnerin in Sachen ökologischer und sozialer Gerechtigkeit, erklärt uns die Benotung genauer: Bei Sozialstandards wie der BSCI handle es sich um „absolute Mindestanforderungen”, die sich an den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) orientieren. Darunter fallen Dinge, die aus europäischer Sicht ziemlich normal sind, wie die Arbeitsschutzanforderungen oder die Einhaltung des Mindestarbeitsalters. Eine Fabrik mit der zweitbesten Note ist „sicher fairer als solche, die im Fast Fashion Bereich üblich sind”, sagt Muth. Bei der Beschreibung “fairste Fabrik mit den besten Arbeitsbedingungen” hat Huesken aber wohl ein oder zwei Superlative zu viel verwendet.

Wie nachhaltig sind die Sneaker?

Auf seiner Website präsentiert Genesis ein ganzes Kaleidoskop an unterschiedlichen Materialien, die nachhaltiger sein sollen als herkömmliche. Welche davon in den Sneakern verwendet werden, wird nicht ganz klar. Auf Nachfrage schickt Genesis dann einen Überblick zur aktuellen Kollektion. Daraus wird ersichtlich, dass Genesis zumindest bei den neuesten Modellen auf Abfallprodukte aus der Landwirtschaft setzt: Insbesondere Mais- und Zuckerrohrabfälle sowie Ananas- und Kaktusfasern. Daraus lassen sich pflanzliche bzw. biobasierte Lederalternativen machen. Die Reste der Pflanzen würden sonst weggeworfen oder verbrannt. Die Verwendung von Abfällen ist tatsächlich ressourcenschonender als beispielsweise synthetische Lederalternativen.

»Wenn Abfälle an einer anderen Stelle einen Wert haben, dann ist das grundsätzlich eine gute Sache.« Robert Groten, Hochschule Niederrhein

Wichtig sei im Sinne der Nachhaltigkeit aber insbesondere die Haltbarkeit, meint Robert Groten, Professor für Textiltechnik an der Hochschule Niederrhein. Und auch für Genesis selbst ist dies laut eigenen Angaben ein Nachhaltigkeitskriterium. Genau hier haben biobasierte Lederalternativen allerdings einen entscheidenden Nachteil. „Sie zeigen häufig eine schlechtere Dauerbiegefestigkeit als Leder” , meint Anett Matthäi, Professorin für nachhaltige Textilien an der Hochschule Hof. Sie erklärt: Bei jeder Abrollbewegung des Fußes kommt es zu einer Biegebewegung, durch die das Material gestaucht und wieder gedehnt wird. Dabei entstehen mit der Zeit Risse, die Schuhe gehen kaputt, solche aus pflanzlichen Alternativen schneller als die aus Leder. „Wenn man Leder richtig pflegt, hält es aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit weitaus länger”, sagt Matthäi.

Dass biobasierte Lederalternativen schneller kaputt gehen, sei wiederum grundsätzlich nicht schlimm, sofern es ein Rücknahme- und Recyclingsystem gebe, sagt Textiltechniker Robert Groten. Auch an Genesis können kaputte Sneaker zurückgeschickt werden. „Das ist eine tolle Sache”, lobt Groten. „In meinen Augen ist das der einzige Weg, wie man Kreislaufwirtschaft hinbekommt.”

In seinem Rücknahmeprogramm bietet Genesis an, alte Schuhe gegen einen Rabattcode von 30 Prozent auf die nächste Bestellung zurückzunehmen. Auf der Website heißt es: „Die zurückgesendeten Schuhe werden je nach Zustand entweder recycelt oder an bedürftige Menschen gespendet.” Recycelt worden seien bisher aber noch keine der zurückgenommenen Schuhe, dazu sei die Menge noch zu gering, so Genesis-Gründer Hüsken. Und gespendet habe man bisher auch nur eine Handvoll, und zwar an die örtliche Diakonie.

Einen Haken haben die Lederalternativen allerdings in puncto Recyclingfähigkeit: Um die Haltbarkeit zu verlängern, werden viele Lederalternativen mit Kunststoffen gemischt oder mit diesen beschichtet. Recycling wird dadurch stark erschwert. „Das wieder auseinander zu bekommen, ist einer der aufwendigsten Schritte überhaupt im Recycling. Da wird’s dann schwierig”, sagt Groten.

Natürlich wollten wir von Genesis-Gründer Huesken wissen, ob auch seine Lederalternativen mit Kunststoff gemischt werden. Im Interview weicht er zunächst aus. Per E-Mail bestätigt er dann die Beimischung von Kunststoff. Der Anteil sei aber grundsätzlich gering. Was die Recyclingfähigkeit betrifft, bleibt also auch bei Genesis eine Mischung an verschiedenen Materialien zurück, die später kaum wieder sortenrein zu trennen ist.

Ist Genesis die wahrscheinlich nachhaltigste Sneaker-Marke der Welt?

Nicht nur bei ausgewählten Materialien und Arbeitsbedingungen lehnt sich Genesis etwas weit aus dem Fenster. Insgesamt wirkt die Kommunikation schon sehr selbstbewusst. Man gehe beispielsweise „verantwortungsvoll mit Ressourcen um”, heißt es weiter. Aber was heißt das überhaupt?

Unter anderem schreibt Genesis auf seiner Website: „Wir können mit Stolz behaupten, dass es schwer wird, einen Sneaker mit einem so geringen CO2-Fußabdruck zu finden” . Also fragen wir nach einer Lebenszyklusanalyse, die üblicherweise zur Berechnung einer solchen Kennzahl verwendet wird. Von Genesis heißt es dazu: „Durch die Vielfalt an Materialien haben wir noch keinen Weg gefunden, hier eine verbindliche Aussage für das ganze Produkt zu machen. Was wir sagen können, ist, dass jede Komponente einen geringeren CO2 Ausstoß hat als ein herkömmlicher Sneaker.”

Jens Huesken und sein Schuh der Superlative. Foto: Genesis

Die Zahlen, die Genesis uns dann liefert, sehen auf den ersten Blick wirklich beeindruckend aus: 37 Prozent weniger CO2 für die Obermaterialien, neun Prozent weniger für die Produktion. Ungefähr 61 Prozent weniger Emissionen für Verpackung. Aber wie kommt Genesis auf diese exakten Angaben und auf welchen Vergleichswert beziehen sie sich überhaupt? Huesken antwortet uns, die Zahlen stammten aus eigenen Berechnungen. Er hätte auf jeden Fall irgendetwas im Kopf, was er da gemeint habe, sagt er. Aber es falle ihm nicht mehr ein. Er verspricht, nochmal seinen Computer zu durchforsten und die Berechnungen nachzureichen. Später folgt per E-Mail die Auskunft: Leider nicht gefunden. Das Werbeversprechen zum geringen CO2-Fußabdruck hingegen steht nach wie vor auf der Startseite von Genesis.

Die Anekdote zeigt, dass sich Genesis, indem es in jeder Hinsicht der Klassenbeste sein möchte, kommunikativ mitunter auch ganz schön verzettelt. Da ist die Rede von recycelten und nachhaltigen Materialen, von fairen Arbeitsbedingungen und sogar von Zukunftsvision eines kompostierbaren Sneakers. Viele der Aussagen des Unternehmens sind durch Zertifikate belegt, die auch transparent auf der Website gelistet werden. Aber gleich mehrere zentrale Botschaften wirken deutlich zu selbstbewusst, Belege fehlen. Hier sollte Genesis in Zukunft genauer und defensiver kommunizieren. Die „wahrscheinlich nachhaltigste Sneaker-Marke der Welt” ist Genesis jedenfalls wahrscheinlich eher nicht.


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