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Verantwortungseigentum

Eine GmbH gegen die Gier?

Was Dich hier erwartet:

Was ist das Problem?

Beginnen wir mit der erfreulichen Nachricht: Immer mehr Unternehmen wollen etwas Gutes tun. Nicht das Geld verdienen, sondern ein gesellschaftlicher Nutzen soll im Mittelpunkt ihres Handeln stehen. Oft ist das der Grund, weshalb diese Unternehmen überhaupt gegründet werden. Bei der Suchmaschine Ecosia ging es zum Beispiel von Anfang an vor allem darum, mit den Gewinnen aus den Anzeigen möglichst viele Bäume zu pflanzen. Auch die Gründer:innen des Start-Ups Wildplastic, über das Flip schon einmal berichtet hat, wollten von Beginn an den Plastikmüll bekämpfen, der in der Natur, Flüssen und dem Meer landet – und machen deshalb aus Müll neue Müllbeutel. 

Es gibt gute Gründe, solche Ziele auch unternehmerisch voranzutreiben. Im Kern geht es darum, die Wirtschaft von innen heraus zu verändern, den Verbraucher:innen nachhaltigere Angebote zu machen und die Kraft des Marktes für etwas Gutes zu nutzen. Das Ganze kann aber auch nach hinten losgehen: Wenn Investor:innen an Bord kommen oder neue Eigentümer:innen übernehmen, besteht die Gefahr, dass die ursprünglichen Ziele mehr und mehr in den Hintergrund treten – und am Ende doch die kapitalistische Gewinn-Logik dominiert. Ein Beispiel dafür ist der Hafermilch-Produzent Oatly. Seitdem dort 2020 die umstrittene Investmentgesellschaft Blackstone eingestiegen ist, befürchten viele so etwas wie einen schleichenden Ausverkauf der ursprünglichen Ziele. 

Was ist der Ansatz des Verantwortungseigentums?

Das “Verantwortungseigentum” ist eine Eigentumsform, die einen solchen Ausverkauf unmöglich machen soll. Ecosia, Wildplastic und viele andere Unternehmen haben sich bereits dafür entschieden. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), nennt es ein “Konzept für unsere Zeit” – und glaubt, dass es die soziale Marktwirtschaft stärken könne. Auch die Bundesregierung will es unterstützen und gesetzlich verankern – so zumindest steht es im Koalitionsvertrag der Ampelregierung.

Aber der Reihe nach. Im Kern geht es um zwei Prinzipien, die Unternehmen in Verantwortungseigentum sicherstellen sollen. Das erste ist das Prinzip der Selbstbestimmung. Damit ist gemeint, dass die Kontrolle über das Unternehmen niemals in die Hände von gierigen Investor:innen, Spekulant:innen oder gleichgültigen Erb:innen fallen darf. Stattdessen soll sie im Unternehmen selbst bleiben, also bei jenen Menschen, die dort arbeiten oder sich ihm in ähnlicher Position langfristig verbunden fühlen. Das soll das Unternehmen vor schlechten Einflüssen von Außenstehenden schützen.

Das zweite Prinzip ist das der Vermögensbindung. Damit ist gemeint, dass Gewinne ins Unternehmen reinvestiert werden – und nicht oder nur sehr begrenzt ausgeschüttet werden können. Das soll das Unternehmen auch vor schlechten Einflüssen von innen schützen. Es kann ja sein, dass es den Gründer:innen eines Unternehmens zu Anfang vor allem um die gesellschaftliche Mission geht, sie dann aber doch geldgierig werden und sich große Summen auszahlen wollen. Dem soll das Prinzip der Vermögensbindung einen Riegel vorschieben. Das Unternehmen gehört damit zu einem gewissen Grad sich selbst.

Wer ein Unternehmen in Verantwortungseigentum gründet, schränkt sich also ein. Bei Wildplastic ging dieser Entscheidung, wie Mitgründer und CEO Christian Sigmund es beschreibt, viel “Beziehungsklärung” voraus. Soll heißen: Das Team musste sich erstmal einig werden: Warum und wofür machen wir das eigentlich? Das Ergebnis sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern sich auch in der Eigentumsform wiederfinden.

»Wir alle waren uns einig, wir machen das nicht, um das Unternehmen irgendwann an einen Großkonzern zu verkaufen.«

Wildplastic-Gründer und CEO Christian Sigmund​, Foto: Anna Ziegler

Bei Ecosia lief es ein wenig anders. Die Suchmaschine hatte sich schon 2009 gegründet, als ganz normale GmbH. Alleiniger Eigentümer war Gründer Christian Kroll. Er hätte das Unternehmen verkaufen oder verschenken können. Der neue Eigentümer hätte das Bäume pflanzen dann sofort für beendet erklären können. Das wollte Kroll nicht.

»Wir glauben, dass eine Bewegung nicht einer einzelnen Person gehören sollte.«

Also wandelte sich Ecosia 2018 zu einem Unternehmen in Verantwortungseigentum. Das allerdings war aufwändig und teuer – denn bislang gibt es für diese Form des Eigentums keine eigene Rechtsform. Stattdessen braucht es komplizierte Konstrukte, um die Prinzipien des Verantwortungseigentums zu implementieren. Das aber soll sich ändern. 2019 hat sich die Stiftung Verantwortungseigentum gegründet. Auch Ecosia gehörte zu den Gründungsmitgliedern. „Wir wollen Unternehmen die Umsetzung einer Vermögensbindung leichter machen”, sagt Stiftungsvorstand Gregor Ernst. Im Klartext heißt das: Die Stiftung will eine neue Rechtsform im Gesetz verankern.

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Gregor Ernst, Vorstand Stiftung Verantwortungseigentum, Foto: GTREU eV.

Braucht es wirklich eine neue Rechtsform?

Zunächst einmal kann man festhalten, dass die Idee von Verantwortungseigentum alles andere als neu ist. In Deutschland werde sie im Prinzip schon seit rund 130 Jahren umgesetzt, sagt auch Gregor Ernst von der Stiftung Verantwortungseigentum. Einer der frühen Pioniere ist die 1846 in Jena gegründete Carl Zeiss AG, heute ein erfolgreicher Global Player mit mehr als 40.000 Mitarbeitern. Laut Unternehmenswebsite werden 80 Prozent aller Chips weltweit mit kleinen Spiegeln und Linsen von Carl Zeiss gefertigt.

Und doch ist Zeiss kein ganz normaler Konzern. Denn: Er gehört zu 100 Prozent einer Stiftung, der Carl-Zeiss-Stiftung. Das ist schon seit 1889 so. Ernst Abbe, Professor für Physik und Mathematik und nach dem Tod von Carl Zeiss alleiniger Inhaber des Unternehmens, schenkte der Stiftung alle Anteile. In der Stiftungssatzung legte er fest, dass der Verkauf von Aktien verboten ist, das Unternehmen also niemals an der Börse gehandelt werden kann. Außerdem begrenzte er die Managementgehälter und stellte sicher, dass Gewinne reinvestiert oder in die Wissenschaft gesteckt werden. Er begründete das damit, dass der Erfolg des Unternehmens durch die Arbeit vieler zustande gekommen sei, die “gegenwärtige Rechtsordnung” den daraus resultierenden Besitz aber “bedingungslos für freies Privateigentum des erfolgreichen Unternehmers” erkläre. Damit war Abbe nicht einverstanden. Er schrieb: „Nach meiner persönlichen Überzeugung aber will ein Erwerb diesen Ursprungs…als ‘öffentliches Gut’ betrachtet sein, soweit es hinausgeht über das Maß eines angemessenen Lohnes für die persönliche Tätigkeit.” 

Drei Dinge kann man daraus lernen. Erstens: Die Idee gibt es schon lange. Zweitens: Sie hat erstmal nichts mit Nachhaltigkeit oder Gemeinnützigkeit zu tun, sondern kann grundsätzlich jeden Unternehmenszweck langfristig schützen. Drittens: Im Zentrum des Konstruktes steht meist eine Stiftung. Das ist auch bei Ecosia und Wildplastic so. Beide Unternehmen haben dazu Anteile an die Schweizer Purpose Stiftung abgegeben, die Unternehmen dabei hilft, das Modell des Verantwortungseigentums umzusetzen.  

Bisher gibt es laut Stiftung Verantwortungseigentum rund 200 Unternehmen, die die Eigentumsform nutzen. Das Potenzial hält sie für größer. Zum einen gebe es Unternehmen wie Ecosia oder Wildplastic, die sicherstellen wollen, dass ihre gesellschaftliche Mission nicht zugunsten des Profits ausgehebelt werde. Zum anderen gebe es Unternehmer:innen, die keine:n Nachfolger:in fänden – auch für sie sei das Modell eine Alternative. Um das Potenzial auszuschöpfen, müsse die Umsetzung aber einfacher werden.  „Wir schätzen, dass langfristig mehr als 100.000 Unternehmen eine Rechtsform zur Umsetzung einer Vermögensbindung nutzen würden”, so Stiftungsvorstand Ernst. 

Deshalb ist die Stiftung im Dialog mit einer Reihe an Professor:innen, die als Forschungsprojekt einen Gesetzesvorschlag erarbeitet haben. Demnach soll es künftig eine „Gesellschaft mbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) geben, die die Kernprinzipien des Verantwortungseigentums sicherstellen soll. Im Kern sollen solche Unternehmen nicht mehr als Mittel zum Zweck von Profiten verstanden werden, sondern Profite als Mittel zum Zweck des Unternehmens.

Kann das unsere Wirtschaft besser machen?

Für Fans ist die Eigentumsform der Weg zur ganz großen Utopie. Waldemar Zeiler, der Mitgründer des Berliner Kondom-Startups Einhorn, skizziert das anschaulich in einem Beitrag für das Magazin Demos Mag. Es ginge darum, die Wirtschaft zu “unfucken”, schreibt er. Menschen würden dann nicht mehr wegen des Geldes arbeiten gehen, „sondern weil dein Unternehmen auch dir gehört und du damit genau weißt, für wen du arbeitest.” Zeiler träumt von einer Welt, in der niemand anders als die Mitarbeiter:innen über das Unternehmen bestimmen können. „Keine Bank, keine Investor:innen, wirklich niemand.” Einhorn selbst ist bereits in Verantwortungseigentum organisiert. Um die Utopie aus der Nische zu holen, brauche es aber die neue Rechtsform, glaubt Zeiler. Auch Génica Schäfgen, die Deutschland-Chefin von Ecosia, sagt: „Ich glaube, wenn es diese Rechtsform gibt, kann sich die Wirtschaft wirklich zum Positiven verändern.”

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Génica Schäfgen, die Deutschland-Chefin von Ecosia, Foto: Pako Quijada

Ganz anders sieht das der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium. Er hat ein Gutachten verfasst, das, etwas zugespitzt formuliert, nichts als Probleme sieht. So sei es nicht sinnvoll, das individuelle Gewinnstreben und den Einfluss von Investor:innen einzuschränken. Auch seien zukünftige Gesellschafter:innen benachteiligt, wenn die heute lebenden Gesellschafter:innen ihren Gestaltungsspielraum für immer einschränken könnten. Zudem könnte die Rechtsform auch zum Steuersparen missbraucht werden. Im Gespräch mit Flip sagt Joachim Hennrichs, Rechtswissenschaftler an der Universität zu Köln und einer der Autoren des Gutachtens, dass die vorgeschlagene Vermögensbindung genau das Gegenteil dessen sei, was wir in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung anstreben würden.

»Unsere marktwirtschaftliche Ordnung basiert auf der Überlegung, dass Kapital sich frei bewegen kann.«

Man kann das so verstehen, dass die neue Rechtsform etwas quer zu unserem bestehenden Wirtschaftssystem liegt. Und das stimmt ja auch. Nur: Ist das so schlimm? Und könnte die neue Rechtsform nicht vielleicht auch das Wirtschaftssystem verändern?

Die Kritik vom wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums hat auch Florian Möslein überrascht. Er ist Rechtsprofessor an der Philipps-Universität Marburg und einer der Autoren des Gesetzesvorschlags. Der Grund, vermutet er, hänge damit zusammen, „dass unter Unternehmensrechtler:innen ein recht einseitiges ökonomisches Denken vorherrscht und dass diese sich deswegen schwer vorstellen können, dass Menschen aus vielfältiger Motivation heraus unternehmerisch tätig sein wollen. Es hängt vielleicht auch ein bisschen damit zusammen, dass wir das Ganze im ersten Entwurfsstadium als Kapitalgesellschaft ausgestaltet haben, also als Sonderform der GmbH, und es sich mit dem klassischen Bild der GmbH so schwer unter einen Hut bekommen lässt.” 

Zu den Kritiker:innen gehört auch die Hamburger Rechtsprofessorin Birgit Weitemeyer. Sie sagt, die neue Rechtsform sei “der reinste Etikettenschwindel”. Zum einen, weil nicht sichergestellt sei, dass dadurch tatsächlich nachhaltiger gewirtschaftet werde. Zum anderen, weil etwa verdeckte Gewinnausschüttungen doch möglich seien, etwa durch die Auszahlung eines unangemessen hohen Gehalts. Gregor Ernst von der Stiftung Verantwortungseigentum lässt den letzten Punkt nicht gelten. Solche verdeckten Gewinnausschüttungen seien untersagt und ließen sich auch effektiv verhindern.

Viele der Kritikpunkte sind eher grundsätzlicher und theoretischer Natur – in der Praxis spielen sie bisher kaum eine Rolle. Anders ist das bei der Finanzierung. Wer investiert schon in ein Unternehmen, das nicht auf Gewinnmaximierung aus ist und bei dem man als Investor:in kaum Mitsprache hat? Die Finanzierung könne man schon als “Challenge” bezeichnen, sagt auch Génica Schäfgen von Ecosia. „Wenn man sich von dem Standardbild von Unternehmer:innen entfernt, das am Finanzmarkt vorherrscht, hat man auch mehr Schwierigkeiten, an Kapital heranzukommen.” Hoffnung aber mache ihr, dass es auch einer neuen Generation von Investor:innen nicht nur um Rendite, sondern auch um den Impact gehe. „Die sind dann auch mal bereit, andere Modelle einzugehen”.

Und kommt das Gesetz nun?

Das ist die große Frage.  Im ARD Mittagsmagazin sagte der FDP-Abgeordnete  Thorsten Lieb im September: „Ich bin mir sehr sicher, dass es in dieser Legislaturperiode noch kommt, wir haben das vor im Koalitionsvertrag, und wir sind fest entschlossen, das auch umzusetzen.“ Das federführende Justizministerium äußert sich auf Anfrage von Flip vorsichtiger. Man stehe zur Frage nach dem „geeigneten“ Modell im Austausch mit anderen Ressorts der Bundesregierung. Die konkrete Frage, ob das Gesetz wie im Koalitionsvertrag beschlossen noch in dieser Legislaturperiode komme, beantwortet die Pressesprecherin allerdings auch auf erneute Nachfrage von Flip nicht. „Über das bereits Gesagte hinaus kann ich Ihnen leider keine weiteren Einzelheiten mitteilen.” 

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Stiftung Verantwortungseigentum habe von einer Reihe von Professor:innen einen Gesetzesvorschlag erarbeiten lassen. Tatsächlich steht die Stiftung im Dialog mit den Professor:innen, die den Gesetzesvorschlag aber unabhängig im Rahmen eines Forschungsprojektes erarbeiten.

Disclaimer

Für das Crowdfunding des Marabu-Sneakers und dessen weitere Realisierung hat FLIP gemeinsam mit dem Münchner Sneakerhersteller MONACO DUCKS die Firma GRND gegründet, an der beide Partner zu 50 Prozent beteiligt sind.

Was ist ein Flip?

Flips nennen wir Ideen, die zu einer besseren Wirtschaft beitragen können. Wir stellen sie vor, recherchieren und sprechen mit unabhängigen Experten. Ihr entscheidet: Ist die Idee wirklich ein Flip oder doch ein Flop?

Was ist eine Learning Journey?

Unsere besonders aufwendigen Produktionen bezeichnen wir als Learning Journey. Diese Projekte sollen ein drängendes Problem ganz grundsätzlich aufrollen, um am Ende besser zu verstehen, wie Lösungen aussehen könnten. Dazu recherchieren wir investigativ, arbeiten mit reichweitenstarken Medienpartnern zusammen und veröffentlichen seriell und crossmedial auf vielen Kanälen. Das Ziel: Gemeinsam die Welt verstehen, um sie zu verbessern.