Stell dir vor, du hast einen soliden Job: Du kannst zu Fuß dorthin laufen, wirst gut bezahlt und deine Kolleg:innen sind nett. Alles könnte so bleiben, wäre da nicht diese eine Sache. Klima- und Umweltschutz spielen bei deinem Arbeitgeber kaum eine Rolle. Im Gegenteil: Je länger du darüber nachdenkst, desto mehr wird dir klar, dass dein Job Teil des Problems ist und der Umwelt schadet. Für dich ein Grund zu kündigen?

Falls die Antwort ja lautet, bist du ein potenzieller “Climate Quitter” – wie Flip-Leserin Ute. Sie hat ihren sicheren Job in der Container-Reederei nach 27 Jahren gekündigt, um einen Unverpacktladen zu eröffnen. Und Ute ist nicht die einzige, der Klima und Umwelt bei der Jobwahl wichtig sind. Das Phänomen “Climate Quitting” sei zwar so neu, dass es dazu noch kaum Daten gebe, aber generell werde das Thema Nachhaltigkeit auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger, sagt Markus Janser vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Seit 2013 fällt die Wahl von Auszubildenden stärker auf Berufe mit ‘Green Skills’, während die Entscheidungen für Berufe mit ‘Brown Skills’ zurückgehen”, so Arbeitsmarktforscher Janser, der 2023 eine Studie zur Berufswahl von Auszubildenden veröffentlichte. Auch eine aktuelle Umfrage der europäischen Investitionsbank zeigt, dass für 81 Prozent der 20 bis 29-Jährigen in Deutschland die Haltung des potenziellen Arbeitgebers zum Klima wichtig ist. Aber das gelte nicht nur für Berufseinsteiger:innen. Laut Janser betreffe Climate Quitting sowohl Menschen, die noch relativ am Anfang Ihrer Karriere stehen als auch solche, die schon länger arbeiten und sich bewusst für einen anderen Weg entscheiden.

Arbeitsmarktforscher Markus Janser, Bild: IAB

Was treibt Menschen zum Climate Quitting?

Im Arbeitskontext gebe es den Spruch „Love it, change it or leave it”, sagt Markus Janser. Wenn das “love it” wegfalle, brauche es gerade für einen ökologischen Wandel auch Menschen, die “change it” wählen und von innen heraus Veränderungsprozesse in Unternehmen anstoßen. Doch das funktioniert eben nicht immer und kann mitunter sehr mühsam sein. Am Ende bleibt also manchmal nur die Option zu gehen – also “leave it”.

Flip-Autorin Karolin wollte es genauer wissen. Da es bisher kaum Daten zu dem Phänomen gibt, hat sie in der Flip-Community nach Climate Quittern gesucht, die von ihren Erfahrungen berichten. Nach einem Aufruf im Newsletter und auf unserem Instagram-Kanal haben sich zwölf Flip-Leser:innen bei ihr gemeldet – von Berufseinsteiger:innen zu Menschen mit jahrelanger Arbeitserfahrung. Am Ende hat sie mit drei Menschen gesprochen, die sich als Climate Quitter bezeichnen oder sich zumindest mit dem Begriff identifizieren können:*


Ute, 56 Jahre, aus Hamburg

Ute hat bis vor ein paar Jahren im Kundendienst einer Container-Reederei gearbeitet. Doch schon lange war klar: Sie steht nicht hinter der Firmenphilosophie ihres Arbeitgebers und möchte ihren Lebensstil verändern.

Mir war es schon lange unangenehm, in Gesprächen zu sagen, wo ich arbeite. Die vielen Waren, der Konsum und die immer größer werdenden Schiffe waren mir persönlich fremd. Trotzdem habe ich 27 Jahre in einer Container-Reederei gearbeitet und meinen Job auch immer gut gemacht, denke ich. Ich bin zufällig dort gelandet, als ich eine Umschulung zur Außenhandelskauffrau gemacht habe. Die Stelle war in der Zeitung ausgeschrieben und ich habe um die Ecke gewohnt – praktisch für beide Seiten. Lange Zeit habe ich das als „Brotjob“ angesehen. Innerlich hatte ich schon lange den Wunsch, etwas anderes zu machen. Irgendwann habe ich begonnen, meinen eigenen Konsum stärker zu hinterfragen und das Thema Nachhaltigkeit mehr in den Alltag zu integrieren. Nach und nach kamen Zweifel, welche Dimensionen von Konsum ich mit meiner Arbeit unterstütze und so habe ich beschlossen, zu kündigen.

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