Was ist das Problem?

Fünfeinhalb Jahre war der Konsumkritiker Raphael Fellmer im “Geldstreik”, nahm also weder Geld an, noch gab er welches aus. Um an Essen zu kommen, durchwühlte er Container von Supermärkten – und protestierte damit gegen die Wegwerfmentalität des Einzelhandels. Jedes Jahr landen in Deutschland 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Auch weil zu viel produziert wird, die Produkte kleine Schönheitsfehler haben oder das offizielle Haltbarkeitsdatum überschritten wird. Das alles schadet der Umwelt. Energie, Wasser, Dünger und Anbauflächen werden vergeudet. In einer aktuellen Studie kommt die niederländische Wageningen-Universität zum Ergebnis, dass weltweit doppelt so viele Lebensmittel verschwendet werden, als bisher angenommen.

Was ist der Ansatz von Sirplus?

Zunächst gründete Fellmer 2013 die Plattform Lebensmittelretten.de, die später mit Foodsharing fusionierte. Über 82.000 Ehrenamtliche retten darüber mittlerweile Lebensmittel, indem sie die überproduzierte Ware von kleinen und großen Betrieben sowie von privaten Haushalten abholen und sie umsonst an öffentlichen Plätzen verteilen.

Mittlerweile hält Fellmer das Potenzial seiner eigenen Idee aber für begrenzt:

»Die Lebensmittelverschwendung ist in den letzen Jahren eher größer geworden. Ich dachte, Foodsharing sei die Lösung, aber es ist eine Nischenlösung.« Raphael Fellmer, Sirplus

Deshalb haben Fellmer und sein Mitstreiter Martin Schott 2017 Sirplus gegründet, eine Supermarktkette. Das Prinzip: Sie besorgen überschüssige oder abgelaufene Lebensmittel im großen Stil von Herstellern und Großhändlern. Und verkaufen sie dann über ihre “Rettermärkte”. Sechs davon gibt es in Berlin schon. Außerdem können die Waren über einen Onlineshop bestellt werden. Fellmers Hoffnung: Wenn man das Lebensmittelretten so bequem macht, erreicht man viel mehr Menschen – und holt die Bewegung aus der Nische heraus.

Und funktioniert das auch

Das wollten wir natürlich wissen. Und haben uns mit Raphael Fellmer im Sirplus-Markt in Berlin-Charlottenburg getroffen.

Flip-Autorin Carmen Maiwald und Raphael Fellmer vor einem der sechs Sirplus-Märkte in Berlin
Flip-Autorin Carmen Maiwald und Raphael Fellmer vor einem der sechs Sirplus-Märkte in Berlin

Hier ein paar Punkte, die wir wichtig finden:

1. Sirplus haftet dafür, dass nichts vergammelt

Sirplus rettet Lebensmittel, die von Märkten sonst weggeschmissen werden, weil sie nicht der Norm entsprechen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben. Dass sie trotzdem noch genießbar sind, überprüft Sirplus durch sensorische Tests. Konkret heißt das: tasten, schmecken, riechen, anschauen. Viele Produkte sind noch Tage, Wochen, manchmal sogar Monate über das Mindesthaltbarkeitsdatum genießbar. Normale Supermärkte sortieren sie trotzdem aus. Der Grund: Nach Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums haften nicht mehr die Hersteller, sondern die Supermärkte. Sirplus übernimmt diese Haftung und verkauft die Waren im Schnitt 40 Prozent günstiger. Für die Kund:innen bedeutet das: Sie sparen Geld und können sich sicher sein, dass nichts verdorben ist.

In den Märkten von Sirplus findet man außerdem überall Hinweise darauf, wie lange Lebensmittel haltbar sind – und wie man sie länger haltbar machen kann (etwa indem man Salat in feuchte Küchentücher wickelt). Das soll dazu beitragen, dass auch in den Küchen der Menschen weniger Lebensmittel im Müll landen.

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