Was ist das Problem?

Die Corona-Krise verschärft sich und überall gibt es neue Beschränkungen bis hin zu regionalen Lockdowns. Das trifft, na klar, auch die Wirtschaft. Wie schon im Frühjahr droht vielen Firmen die Pleite. Um das Schlimmste zu verhindern, hat die Bundesregierung riesige Hilfspakete geschnürt, die sie nun noch einmal ausbauen und verlängern will. Allein der sogenannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds umfasst bisher 600 Milliarden Euro. Hinzu kommen viele Milliarden für Soforthilfen, Kurzarbeit und Steuerstundungen. Fast zwei Drittel aller Unternehmen setzen in der Krise bereits auf staatliche Hifen. Kurzum: Die Steuerzahler:innen retten viele Unternehmen und bewahren die Wirtschaft so vor einer Corona-Rezession mit vielen Arbeitslosen, wie sie andere Länder erleben.

Doch die Staatshilfen werden äußerst intransparent vergeben. Man kann nirgends zentral nachschauen, welche Unternehmen welche Hilfen erhalten. Es besteht der Verdacht, dass sie auch an solche Unternehmen fließen, die mithilfe von Steueroasen wie Luxemburg oder Malta möglichst wenig Steuern zahlen. Ein Beispiel dafür ist die Lufthansa, an der sich der Staat mit neun Milliarden Euro beteiligt hat. Die Lufthansa hat einer Studie der Bürgerbewegung Finanzwende zufolge 92 Tochtergesellschaften in sogenannten Steueroasen. Auf Malta machte ein Tochterunternehmen der Lufthansa mit nur zwei Angestellten fast 200 Millionen Euro Gewinn.

Bedingungslose Solidarität? Protest vor dem Kanzleramt gegen die Lufthansa-Rettung

Ein Einzelfall ist das offenbar nicht. Zusammen mit FragdenStaat hat Finanzwende einen “Coronahilfen-Tracker” erstellt. Für bisher 16 Unternehmen wird dort aufgelistet, wie viel Geld sie bekommen haben. 13 von ihnen haben Verbindungen zu Steueroasen. Das heißt nicht automatisch, dass sie Steuertrickser sind. Aber Fragen wirft es schon auf.

Was will Finanzwende dagegen tun?

Für mehr Transparenz: Der Ex-Politiker Gerhard Schick arbeitet an einer Finanzwende

Die Bürgerbewegung Finanzwende wurde vom früheren Grünen-Politiker Gerhard Schick gegründet. Sie hat bereits im Frühjahr einen Appell an die Bundesregierung gestartet. In ihm fordert sie: Keine Staatshilfen für Steuertrickser und Klimasünder! Mehr als 280.000 Menschen haben ihn bereits unterzeichnet.

Wir haben mit Gerhard Schick gesprochen. Er sagt:

»Mitten in der Krise werden Milliarden an öffentlichem Geld bewegt. Darauf zu pochen, dass es dabei ein Minimum an Bedingungen gibt, ist eine sehr wichtige Aufgabe, die die Gesellschaft jetzt zu erfüllen hat.«

Konkret enthält der Appell drei Forderungen. Unternehmen, die Staatshilfen bekommen, sollen keine Gewinne in Steueroasen verschieben, keine Boni oder Dividenden ausschütten und einen Klimaschutzplan vorlegen.

Sind andere Länder schon weiter?

Seit Ausbruch der Pandemie haben mehrere Länder ihre Staatshilfen an Bedingungen geknüpft. Steuervermeider, da sind sich Frankreich, Dänemark, Schottland und Argentinien einig, sollen nicht von ihnen profitieren. Für viel Aufsehen hat vor allem Dänemark gesorgt. Hier hat das Parlament bereits im April eine entsprechende Regelung beschlossen.

Deutschland, so forderte es etwa Fabio De Masi von der Linken, sollte sich daran ein Beispiel nehmen. In einer Bundestagsdebatte im Mai sagte er: „Wer mit der Konzernmutter oder Töchtern in einer Steueroase sitzt, muss den Briefkasten dort abschrauben oder es gibt keinen Cent vom Staat.“

Was aber hat die dänische Regel bewirkt? Die erste Bilanz ist, nun ja, ernüchternd. Vor der Steueroasen-Regel bekamen 24.054 Unternehmen Corona-Staatshilfen. Alle diese Unternehmen erhalten sie auch weiterhin – obwohl mindestens 247 von ihnen ihren Sitz in Steueroasen haben.

In der Praxis ist es leider kompliziert. Ein Beispiel ist Gate Gourmet, eine Luftverkehrscatering-Firma. Sie ist die drittgrößte Empfängerin dänischen Staatsgeldes und gehört zur Hälfte einem Fonds mit Sitz auf den britischen Cayman-Inseln. Diese stehen zwar auf der EU-Liste der Steueroasen. Aber Hilfe beantragte die dänische Tochtergesellschaft Gate Gourmet Denmark, die wiederum Gate Gourmet Northern Europe gehört, wiederum eine Tochter von Gesellschaften in Luxemburg und der Schweiz. Juristisch wird es dadurch knifflig.

Und was ist mit Deutschland?

Wir haben im Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD) nachgefragt. Wollten wissen: An welche Bedingungen sind die Staatshilfen geknüpft? Und inwieweit werden die Forderungen von Finanzwende bereits berücksichtigt?

Wir haben außerdem mit zwei Experten gesprochen: Christoph Spengel, Steuerprofessor an der Universität Mannheim. Und Simon Loretz, der am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) zur Steuervermeidung forscht.

Wie immer wird es, wenn man genau hinschaut, ein wenig kompliziert. Gehen wir die drei Forderungen von Finanzwende also Punkt für Punkt durch:

1. Keine Gewinne in Steueroasen verlagern

Klar, am liebsten würde es viele so machen, wie es Dänemark versucht: Wer mithilfe von Steueroasen den Staat austrickst, soll gar kein Geld bekommen. “Ich verstehe das Ansinnen”, sagt Simon Loretz vom WIFO, “aber in der Praxis ist es eben gar nicht so leicht zu sagen, wer trickst.”

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