Was ist das Problem?

Wenn es um Klimakiller geht, denken wir schnell an Flüge oder Kreuzfahrtschiffe. Und eher selten an die Wohnungen, in denen wir leben. Dabei sorgt die Bau- und Gebäudewirtschaft weltweit für 38 Prozent der CO2-Emissionen – viel mehr als alle Flüge und Kreuzfahrtschiffe zusammen.

Die Wohnungs- und Bauwirtschaft ist aber nicht nur für einen großen Teil der Emissionen verantwortlich. Sie sorgt auch für so viel Müll wie keine andere Branche. In Deutschland ist sie für 55 Prozent aller Abfälle verantwortlich. Denn wenn Gebäude abgerissen werden, entsteht tonnenweise Bauschutt, der nur zum Teil recycelt werden kann. Besonders problematisch ist Beton. Für seine Herstellung werden Unmengen an Sand benötigt. Inzwischen wird der Sand in vielen Regionen der Welt knapp. Der oft illegale Abbau zerstört Lebensräume, verschmutzt Flüsse und erodiert Strände.

41 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen werden laut einer Studie des Bayerischen Wirtschaftsverbands vbw durch den Bau und Betrieb von Gebäuden verursacht

Was ist der Ansatz von Architects for Future?

Die Architects for Future wollen eine nachhaltige Bauwende. Gegründet hat sich der Verein 2020. Von Architekten, die keine Lust mehr hatten so weiterzumachen wie bisher.

Einer der Architects for Future ist Michael Wicke. Der 38-jährige Diplom-Ingenieur arbeitet als Architekt und hat, wie er sagt, schon immer versucht, so ökologisch wie möglich zu bauen. Seine Bilanz: “Ich bin immer wieder gescheitert. Man kriegt einfach gar nix hin.” Nicht einmal noch völlig intakte Toilettenwände habe er wiederverwenden dürfen, weil das allen Projektpartner:innen zu kompliziert gewesen sei. Stattdessen habe man lieber neue Wände eingebaut – und die alten einfach weggeworfen.

Michael Wicke hat im Kleinen beobachtet, was aus seiner Sicht auch im Großen schiefläuft. Anstatt alte Gebäude zu sanieren, reißt man sie lieber ab und baut neue. Für Investor:innen rechnet sich das in der Regel, auch weil sie anschließend die Mieten erhöhen können. Vom Staat werden sie dabei oft noch unterstützt. Wer energieeffizient baut, konnte in den vergangenen Jahren großzügige Förderungen abgreifen.

So sehen Architekten aus, die klimafreundlicher bauen und Druck auf die Politik machen wollen. Foto: Architects for Future

Aber macht das auch klimapolitisch Sinn? Die Architects for Future bezweifeln es. Sie haben eine ganze Reihe von Forderungen aufgestellt. Die wahrscheinlich folgenschwerste lautet: Umbau muss den Vorrang vor Neubau haben.

Damit widersprechen sie der Vorstellung, dass ein energieeffizienter Neubau, der anstelle eines Altbaus tritt, eine Verbesserung sei. Der Grund: Bislang schaue man vor allem auf die Energiebilanz eines Gebäudes, wenn es bereits steht. Man müsse aber auch die Energie mit einberechnen, die beim Bau des Gebäudes benötigt wird, die sogenannte “graue Energie”. Dazu zählt zum Beispiel der Beton, den es für ein neues Gebäude braucht – und der allein für acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Berechne man das alles mit ein und betrachte den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, sei ein Abriss immer die schlechtere Wahl.

»Wenn ich alte Gebäude abreiße und durch neue ersetze, ist das für Investoren oft lukrativ. Für das Klima aber ist es unter dem Strich eine Katastrophe.« Michael Wicke, Architects for Future

Die Mathematik: Ist ein Neubau immer die schlechtere Wahl?
Es ist eine komplizierte Rechnung. Die “graue Energie”, die für den Bau eines neues Gebäudes benötigt wird, beträgt zwischen 25 und 50 Prozent des gesamten Energiebedarfs über den Lebenszyklus. Genauer lässt sich das nicht sagen, weil es zum Beispiel stark davon abhängt, wie lange eine Gebäude existiert. Wenn es schon nach 50 Jahren abgerissen wird, ist die Energie, die für den Bau draufgeht, prozentual natürlich viel höher als wenn es 200 Jahre steht. Es gilt: Je kürzer ein Gebäude existiert, desto höher der Anteil der “grauen Energie”. Noch komplizierter wird es bei den Emissionen. Denn wenn wir künftig noch stärker auf regenerative Energien umstellen, sinken die Emissionen für den laufenden Betrieb eines Gebäudes – und die Emissionen, die beim Bau entstehen, fallen noch stärker ins Gewicht. Sie können dann sogar bis zu 80 Prozent ausmachen.

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