Was ist das Problem?
In Deutschland leben mehr als 40.000 Menschen ohne jeder Unterkunft auf der Straße. Extreme Kälte, Gewalt, und die tägliche Suche nach einem Schlafplatz führen oft zu physischen und psychischen Erkrankungen. Meist sind es Schulden, familiäre Probleme und Drogen, die Menschen in die Obdachlosigkeit treiben. Doch ist es auch die deutsche Bürokratie, die den Weg hinaus erschwert. Denn wer keine Wohnung hat, bekommt keine Arbeit – und ohne Job, bekommt man auf dem Markt keine Wohnung. Auch bei Hilfsangeboten müssen Obdachlose, um ein Dach über dem Kopf zu bekommen, oft nachweisen, dass sie nicht suchtkrank und “wohnfähig” sind, ein Konto haben und so weiter. Sie brauchen also, was viele Obdachlose nicht haben – und worum sie sich oft nicht kümmern, solange sie vor allem mit ihrem täglichen Überleben beschäftigt sind.
Das ist ein soziales und auch ein wirtschaftliches Problem. Denn Obdachlosigkeit ist für den Staat teuer. Notunterkünfte, Krankentransporte, Gesundheits- und Sozialprogramme – das alles summiert sich. Die Stadt Berlin zahlt allein für Notunterkünfte 300 Millionen Euro im Jahr. Und doch führen die Hilfen oft nicht dazu, dass die Menschen wieder eine Wohnung und einen Job finden. Für die Obdachlosen ist das lebensgefährlich.
49 Jahre
wird ein obdachloser Mensch in Hamburg im Durchschnitt alt. Das sind 30 Jahre weniger als andere Menschen.
Was ist der Ansatz von Little Home?
Der Verein stellt Menschen, die ohne Unterkunft auf der Straße leben, kostenlos kleine Holzhütten auf Rädern zur Verfügung. Sie sind zwar winzig, gerade mal drei Quadratmeter groß, bieten aber ein Bett, eine Camping-Toilette, ein Waschbecken und ein bisschen Privatsphäre. Inzwischen wohnen 175 Obdachlose in den Holzhütten.
Die Idee hatte Initiator Sven Lüdecke, gelernter Restaurantfachmann und Fotograf, als er am Kölner Hauptbahnhof sah, wie eine obdachlose Frau gewaltsam geweckt und aus dem Gebäude geschmissen wurde. Kurz darauf rief er den Verein Little Home ins Leben. 2018 baute er die ersten Holzhütten. Finanziert werden sie über Spendengelder. Der Bau eines Little Homes koste je nach Materialpreisen zwischen 1600 und 2300 Euro. Die ersten sechs Häuschen, sagt Lüdecke, habe er aus eigener Tasche bezahlt.


Hinter der kleinen Initiative steht eine große Idee: der sogenannte Housing-First-Ansatz. Er stellt die Herangehensweise an das Problem der Obdachlosigkeit auf den Kopf: Die Obdachlosen müssen nicht erst jede Menge Probleme lösen, damit sie eine Chance auf eine Wohnung haben. Sie kriegen ersteinmal eine Wohnung, um dann ihre Probleme zu lösen.
Das Konzept wurde vom Psychologen Sam Tsemberis entwickelt (hier könnt Ihr Euch einen TED-Talk von ihm ansehen). Eine Wohnung ist demnach der Anfang und nicht das Ziel der Hilfe. Finnland setzt das Prinzip bereits um. Die Obdachlosen-Zahlen sind dort laut OECD zwischen 2010 und 2018 um 39 Prozent gesunken. Finnland ist damit das einzige europäische Land, in dem die Obdachlosigkeit abnimmt. Laut der Y-Foundation, die das finnische Modell mitentwickelt hat, spart der Staat pro Obdachlosem, der wieder ein Wohnung hat, unterm Strich 15.000 Euro pro Jahr.
Auch Little Home fühlt sich dem Housing-First-Ansatz verbunden:
»Mit Little Home geben wir obdachlosen Menschen einen Rückzugsort. Haben sie erstmal einen gesicherten Schlafplatz, können sie zur Ruhe kommen und sich über andere Dinge wie Arbeitslosengeld Gedanken machen«
Sven Lüdecke, Gründer Little Home e.V.