Spätestens mit der Netflix-Dokumentation „Seaspiracy“ ist das Problem vergangenes Jahr in deutschen Wohnzimmern angekommen: Unser Hunger auf Fisch zerstört die Meere.
In der vielbeachteten Dokumentation geht der Regisseur auf eine Reise, die zur Erkenntnis führt, dass es keine nachhaltige Fischerei geben kann. Das Fazit ist simpel: Wer den Meeren helfen will, darf keinen Fisch mehr essen.
Nach seiner Veröffentlichung wurde Seaspiracy kritisiert, weil der Film das komplexe Thema zugunsten der Dramaturgie vereinfache und teils mit falschen Fakten garniere. So ist bei vielen Zuschauer:innen ein schlechtes Gewissen zurück geblieben, aber auch Zweifel, ob der eigene Fischkonsum wirklich zur Zerstörung der Weltmeere beiträgt.
Fakt ist, dass 2018 laut dem neusten Bericht der UN-Welternährungsorganisation FAO 33 Prozent der weltweiten Fisch-Bestände überfischt und weitere 60 Prozent “maximal befischt” waren, also ihre Belastungsgrenze erreicht hatten. Ein großes Problem ist dabei der Beifang: Laut der Umweltorganisation WWF sterben jedes Jahr mehr Wale ungewollt in den Fischernetzen als zur Blütezeit des Walfangs im vergangenen Jahrhundert. Besonders für die großen Raubfische ist die Lage dramatisch.
90 Prozent: Um so viel sind die Bestände großer Raubfische seit Beginn der industriellen Fischerei geschrumpft.
Was ist der Ansatz von Follow Food?
Anders als die Seaspiracy-Macher:innen glauben die Follow Food-Gründer Jürg Knoll und Harri Butsch nicht, dass Verzicht der einzige Weg ist. Stattdessen wollen sie bei den Kund:innen Interesse für nachhaltigen Fischkonsum wecken.
Fisch importiert haben sie bereits Anfang des Jahrtausends. „Damals stand gar nichts auf den Fischpackungen, die ganzen Bio-Siegel gingen komplett am Fisch vorbei“, sagt Knoll in einem Telefonat mit Flip. So kamen sie auf die Idee, einen Tracking-Code auf ihre Produkte zu drucken. Mit ihm könnten die Kund:innen die Ware im Internet an ihren Ursprung zurückverfolgen. 2007 gründeten Knoll und Butsch Follow Food.
»Wir wollten die erste Fischmarke der Welt werden, die nur nachhaltigen Fisch verkauft.« Jürg Knoll, Follow Food
Die Gründer erlegten sich Regeln auf, die strenger als der Industrie-Standard sind: Um nicht zur Überfischung der Meere beizutragen, verkaufen sie nur Fisch, der nachhaltig gefangen oder in Aquakulturen gezüchtet wurde. Das umstrittene MSC-Siegel, das weltweit nachhaltige Fischereien auszeichnet, ist für sie nur Mindeststandard.
Alle Aquakulturen, aus denen Follow Food Fisch kauft, müssen ein Bio-Siegel tragen. Wildfang muss durch den MSC oder das Naturland-Siegel zertifiziert sein. Zusätzlich verspricht Follow Food, keine Fische aus überfischten Beständen zu verkaufen, keine gefährdeten Arten zu befischen und nur mit Fischereien zusammenzuarbeiten, die auf dem Boot und an Land sozialen Standards folgen.
Heute verkauft Follow Food neben Fisch auch andere tiefgekühlte Lebensmittel und setzte 2020 insgesamt 73 Millionen Euro um. Seiner Vision ist das Unternehmen treu geblieben. Auf der Webseite prangt das Versprechen: “Wir wollen die Meere schützen. Deswegen stammen alle Fische aus biologischen Aquakulturen oder nachhaltigem Wildfang.”
Kann Follow Food sein Versprechen halten?
Um diese Frage zu beantworten, hat Flip-Autorin Virginia Kirst Studien gewälzt, Expert:innen interviewt und mit Jürgen Knoll gesprochen, dem Co-Gründer von Follow Food.
Wie nachhaltig ist der Fisch aus Aquakulturen?
Theoretisch ist Fisch aus Aquakulturen deutlich nachhaltiger als aus konventioneller Fischerei. Wer Fische züchtet, überfischt keine Meere. In der Praxis wird auch diese Methode kritisiert. Ein Kritikpunkt: Für das Fischmehl oder -öl, das den Fischen oft gefüttert wird, werde auch konventionell gefangener Fisch verwendet. Außerdem gibt es Kritik an schlechten Haltungsbedingungen in Aquakulturen.
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