1. Was ist die Idee hinter dem Sneaker?

Während die meisten Sneaker für die USA und Europa produziert werden, landet unser Sneakermüll oft in Afrika – und verschmutzt dort im großen Stil die Umwelt. Diesem Problem wollten wir im Kleinen begegnen: Mit der Entwicklung eines Sneakers, der der dazu beiträgt, den Textilmüll in Afrika aufzuräumen und der Menschen über das Problem aufklärt. Die Idee: Wir sammeln mit unserem Partner vor Ort nicht mehr nutzbare Sneaker in Kenia. Diese werden dann zu einem Granulat geschreddert und in neuen Sohlen verarbeitet. Dadurch sollen alte Sneaker am Ende ihres Lebenszyklus nicht in der Umwelt oder auf illegalen Mülldeponien landen, sondern zum Ausgangsmaterial eines neuen Recycling-Sneakers werden. Er soll auch ein Zeichen setzen: Wir holen Müll zurück – und verlagern gleichzeitig ein Teil der Wertschöpfung des Sneakers nach Afrika.

2. Was ist die Vorgeschichte und wer steckt dahinter?

Am Anfang stand eine journalistische Recherche. Mit der Sneakerjagd hat das Startup Flip Ende 2021 für Furore gesorgt und rund zehn Millionen Menschen erreicht. Dafür hat es alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern verwanzt und auf verschiedenen Wegen entsorgt. Die getrackten Sneaker führten unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Die Recherche konnte zeigen, dass alte Sneaker oft in Afrika landen und dort die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem bisher nicht kümmern.

Um diesem Problem konstruktiv etwas entgegenzusetzen, hat sich Flip nach der Recherche mit dem Münchener Start-up Monaco Ducks zusammengetan, das bereits seit 2017 an möglichst nachhaltigen und kreislauffähigen Sneakern tüftelt. Die Idee: Einen Schuh zu entwickeln, der das Müllproblem in Afrika im Kleinen angeht – und über diese Entwicklung mit all ihren Schwierigkeiten und Herausforderungen zu berichten.

Wissenschaftlich begleitet wurde die Entwicklung eines Prototypen von der Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen. Partner vor Ort ist das kenianische Recycling-Startup Africa Collect Textiles (ACT).

Nachdem wir den Prototypen des Recycling-Sneakers erfolgreich hergestellt haben und eine CO2-Grobanalyse des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) ergeben hat, dass die Emissionen deutlich unter denen eines herkömmlichen Sneakers liegen, wollen wir jetzt, dass diese Lösung auch realisiert wird. Dafür haben Flip und Monaco Ducks eine neue Firma gegründet: Die Marke GRND, die den Sneaker nun über den Prototyp hinaus mithilfe des Crowdfundings verwirklichen möchte. Das Ziel: Aus der Idee eine echte Impact-Unternehmung machen.

3. Wie groß ist das Müll-Problem in Afrika?

Ein großer Teil der Textilien, die weltweit weggeworfen oder gespendet werden, landen in Afrika. Aber fast die Hälfte der Altkleider, die dort ankommen, sind laut einem Report von Greenpeace unbrauchbar. Vor Ort aber gibt es keine vernünftigen Entsorgungsstrukturen. Und so landen auch unsere alten Sneaker einfach im Fluss oder auf illegalen Müllhalden.

Auf einer der größten dieser illegalen Mülldeponien waren wir. Sie befindet sich in Dandora, einem Stadtteil von Kenias Hauptstadt Nairobi. Je näher man der Deponie kommt, desto unerträglicher wird der Gestank. Menschen, darunter viele Kinder, kriechen auf allen vieren durch den Müll. Sie schlafen sogar im Müll. Zwischen Essensresten, Elektroschrott und Medizinabfall finden wir auch alte Nike-, Adidas- und New-Balance-Schuhe. Sie stinken und sind von den Chemikalien der Müllhalde so durchseucht, dass niemand mehr etwas mit ihnen anfangen kann. Auf den Abfallbergen thronen wie gespenstische Statuen aasfressende, hüfthohe Vögel. Es sind Marabus.

Diese Bilder und die Vögel sind uns nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Deshalb wollten wir einen Sneaker entwickeln, der etwas gegen das Müll-Problem unternimmt. Und deshalb heißt er auch wie die Vögel: Marabu.

4. Woraus besteht die Sohle des Sneakers?

Zum Teil aus Müll. Dazu haben wir in Kenia nicht mehr nutzbare Sneaker eingesammelt, die sonst unkontrolliert in der Umwelt landen könnten. Unser Partner vor Ort ist das kenianische Recycling-Startup Africa Collect Textiles (ACT). Die alten Schuhe wurden dann geschreddert. So entsteht ein Granulat, das in der Sohle des Sneakers verarbeitet wird. Der Anteil des Müll-Granulats in der Sohle liegt bei ungefähr 25 Prozent (von Schuh zu Schuh kann sich der Wert geringfügig unterscheiden, am Ende ist jede Sohle ein Unikat). Mehr ist kaum möglich, ohne die Haltbarkeit und die Qualität der Sohle einzuschränken.

Für den Rest der Sohle wurde extra für den Sneaker ein möglichst umweltfreundlicher Materialmix entwickelt, der zu rund 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht (60 Prozent Naturkautschuk, 30 Prozent Reisschalenasche). Die übrigen 10 Prozent bestehen aus Weichmachern und Zusätzen für die Vulkanisierung, einem Prozess, bei dem unter Druck und Hitze aus dem Naturkautschuk ein bewegliches Gummi wird.

Unter der eigentlichen Sohle befindet sich noch eine dünne Laufsohle, die aus demselben Materialmix besteht, aber kein Müll-Granulat enthält. Damit soll so weit wie möglich verhindert werden, dass durch den üblichen Abrieb Mikroplastik in die Umwelt gelangt.

5. Woraus besteht der Oberschuh?

Drei Dinge waren uns bei der Entwicklung des Oberschuhs wichtig:

  1. Es sollten so wenig unterschiedliche Komponenten wie möglich verwendet werden, weil das ein späteres Recycling des Sneakers vereinfacht. Insgesamt kommen nur 15 verschiedene Komponenten zum Einsatz.
  2. Es sollten so viele Komponenten wie möglich aus recyceltem Material bestehen. Von den insgesamt 15 Komponenten ist das bei 13 der Fall.
  3. Wir wollten keine Abstriche bei der Qualität des Sneakers machen. Für das Nähgarn und die Polsterung haben wir deshalb auf recyceltes Material verzichtet, weil die Eigenschaften des recycelten Materials unseren Ansprüchen an Qualität und Langlebigkeit nicht genügt haben.

Insgesamt besteht der Sneaker zu 71 Prozent aus Polyester, das meiste davon recycelt. Dafür haben wir uns bewusst entschieden, da Polyester nicht nur viele praktische Vorteile hat (trocknet schnell, ist hautfreundlich, strapazierfähig und formbeständig), sondern als Material auch wieder aufbereitet werden kann und damit grundsätzlich kreislauffähig ist. Hinzu kommt, dass für die Herstellung von recyeltem Polyester deutlich weniger Energie verbraucht wird als bei neuem Polyester. Die übrigen 29 Prozent des Oberschuhs bestehen unter anderem aus Schaumstoffen, dem Kunststoff EVA und Harz aus Post-Consumer-Abfall.

6. Wo soll der Sneaker produziert werden?

Geplant ist, dass GRND die Schuhe folgendermaßen herstellt: Die alten Schuhe werden in Kenia gesammelt. Die Sohle und der Oberschuh werden in Portugal nach europäischen Standards gefertigt. Dafür arbeitet GRND mit den Unternehmen For Ever und Kyaia zusammen, deren Produktionshallen in der Nähe von Porto wir uns im September 2022 vor Ort angeschaut haben.

Perspektivisch sollen noch größere Teile der Wertschöpfung nach Afrika verlagert werden. Das ist aber gar nicht so einfach, weil die dafür nötigen Strukturen zum Teil noch aufgebaut werden müssen. Auch deshalb soll aus der Idee mithilfe des Crowdfundings ein echtes Impact-Unternehmen werden.

7. Wie nachhaltig ist der Sneaker?

Es gibt immer mehr Sneaker und Sneaker-Produzenten, die sich nachhaltig nennen. Der Begriff ist jedoch nicht geschützt und kann unterschiedliche Dinge bedeuten. Was also soll unser Sneaker konkret leisten?

Der perfekte Sneaker müsste, da sind sich fast alle Expert:innen einig, den Kriterien einer Kreislaufwirtschaft entsprechen. Das heißt: Er müsste aus recycelten Materialien bestehen, sich wieder recyceln lassen oder sich schlicht in der Umwelt auflösen. Der perfekte nachhaltige Sneaker würden also keinen Müll erzeugen. Das Problem: Diesen Sneaker gibt es nicht. Stattdessen landet immer mehr Sneaker-Müll aus Europa in Afrika.

Der GRND-Sneaker soll zum einen auf das Müll-Problem in Afrika aufmerksam machen und im Kleinen dazu beitragen, es zu bekämpfen. Zum anderen soll der Sneaker so kreislauffähig wie möglich sein. Deshalb besteht er aus Komponenten, die zum großen Teil recycelt wurden. Und deshalb haben wir bei seiner Konzeption darauf geachtet, dass die Komponenten so weit wie möglich auch wieder aufbereitet werden können. Auch der GRND-Sneaker ist aber weit davon entfernt, perfekt zu sein. Auch er hat Auswirkungen auf die Umwelt. Und diese wollen wir natürlich kennen.

Im ersten Schritt haben wir dazu beim Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) eine CO2-Analyse des Sneakers in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Das vorläufige Ergebnis: Der Marabu-Sneaker verursacht in jedem Fall weniger CO2-Äquivalente als ein herkömmlicher Sneaker (noch sind nicht alle Daten ausgewertet, in einem “mittleren Szenario” liegt der Marabu-Sneaker bei rund der Hälfte an CO2-Äquivalenten). Noch genauer kann man die Umweltauswirkungen mit einer Lebenszyklusanalyse bestimmen. Diese ist bereits beauftragt. Sie ist jedoch aufwendig, da sehr viele Daten erhoben und ausgewertet werden müssen. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

8. Wie viel Journalismus steckt in dem Sneaker?

Kurz gesagt: eine ganze Menge! Mit der Sneakerjagd hat das Medien-Startup Flip Ende 2021 für Furore gesorgt und rund zehn Millionen Menschen erreicht. Dafür hat es alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern verwanzt und auf verschiedenen Wegen entsorgt. Die getrackten Sneaker führten unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Die Recherche konnte zeigen, dass alte Sneaker oft in Afrika landen und dort die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem bisher nicht kümmern.

An diese Recherche knüpfte die Entwicklung eines Sneaker-Prototypen an. Sie ist, wenn man so will, die konstruktive Fortsetzung der investigativen Recherche. Deshalb hat Flip auch transparent über die Entwicklung des Prototypen berichtet, mit allen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Die Idee dahinter: Nicht nur eine Lösung entwickeln, sondern möglichst viele Menschen auf die Reise dorthin mitnehmen. Denn am meisten lernt man, wenn man selbst versucht, etwas ganz konkret besser zu machen.

Schon klar: Dass Journalisten eine Produktentwicklung so eng begleiten und darüber berichten, ist etwas ungewöhnlich. Deshalb haben wir das Projekt in Phasen eingeteilt: Die Flip-Redaktion hat den Weg von der Idee bis zum funktionierenden Prototyp begleitet und darüber berichtet. Um klare Verhältnisse zu schaffen, übernimmt mit dem Start des Crowdfundings nun eine eigene, von der Redaktion klar abgetrennte Firma die weitere Realisierung. Dafür haben Flip und Monaco Ducks die Marke GRND gegründet An Ihr ist Flip zu 50 Prozent beteiligt. Auch nach dieser lösungsorientierten Produktentwicklung gilt: Unsere Redaktion ist und bleibt unabhängig, genau wie es bei großen Medienhäusern der Fall ist.

9. Welche Schwächen hat der Sneaker?

Zunächst einmal gilt: Auch der GRND-Sneaker hat Auswirkungen auf die Umwelt, auch wenn sie so klein wie möglich gehalten werden sollen. Natürlich kann man fragen: Braucht es überhaupt noch einen zusätzlichen Sneaker? Wäre es nicht besser, wenn wir einfach weniger konsumieren würden?

Auch wir glauben, dass wir alle insgesamt weniger konsumieren müssen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die meisten von uns auch künftig nicht ganz auf Sneaker verzichten wollen. Für sie soll es einen Sneaker geben, der möglichst einfach zu recyceln ist und versucht, auf das Müll-Problem in Afrika aufmerksam zu machen und es im Kleinen anzugehen.

Auch der GRND-Sneaker aber ist noch lange nicht perfekt. Ein Beispiel: Den Oberschuh haben wir zwar bewusst so konzipiert, dass ein späteres Recycling möglich ist. Voraussetzung aber ist auch hier eine Trennung der Materialien. Wie und mit welchen Partnern das passiert, muss noch geklärt werden.

Bisher findet auch nur ein kleiner Teil der Wertschöpfung des Sneakers in Afrika statt. Auch das soll sich perspektivisch ändern. Das Fernziel ist, möglichst den gesamten Sneaker dort zu produzieren. Bis dahin aber ist es noch ein langer Weg – und GRND braucht eine gewisse Größe, um entsprechende Strukturen vor Ort mit aufzubauen zu können. Das Crowdfunding ist also nur ein allererster Schritt auf einer noch langen Reise voller Herausforderungen.

10. Wann sollte ich dieses Crowdfunding unterstützen?

Wenn Dir der Sneaker und die Idee dahinter gefällt! Und Du zu denen gehören möchtest, die als Unterstützer:innen der ersten Stunde von Anfang an mit dabei sind – und dafür sorgen, dass die Idee tatsächlich Wirklichkeit wird.

Das Crowdfunding beginnt am Dienstag, den 04. Oktober um 8 Uhr auf Kickstarter. Für einen Betrag zwischen 99 Euro und 129 Euro erhalten Unterstützer:innen ein Paar MARABU-Sneaker, sobald diese produziert wurden. Das Crowdfunding ist über diesen Link zu erreichen.

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