Als die Amateurfußballer vom FC Internationale Berlin 1980 vor zwei Jahren für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP) nominiert wurden, war die Aufregung groß. Er habe sofort begeistert einen Kollegen angerufen, erzählt Anton Klischewski, 30, der als Nachhaltigkeitsmanager des Vereins für Fair-Trade-Fußbälle und Trikots aus Ökotextilien gesorgt hatte. Der DNP sei in seiner Wahrnehmung das „absolute Nonplusultra" unter den grünen Auszeichnungen gewesen. Die Nominierung habe sich wie die „Eintrittskarte in eine andere Welt" angefühlt.
Zur Verleihung des DNP pilgern Jahr für Jahr mehr als 1000 Menschen ins Maritim Hotel am Düsseldorfer Flughafen. Das vegetarische Menü der Abendgala kommt vom Sternekoch, die Showeinlagen von Weltstars. Königin Silvia von Schweden hat den Preis schon erhalten, ebenso Filmstar Nicolas Cage und Pop-Legende Elton John. Die Sängerin Billie Eilish bekam 2021 als Ehrenpreisträgerin eine Laudatio aus dem Weltall, live von der Raumstation ISS.

Billig ist das nicht, auch nicht für die Preisträger:innen. Wollen sie bei der Show mit mehr als einer Person dabei sein, kostet das. Der FC Internationale musste Spender auftreiben, um sich die 750 Euro teuren Gala-Tickets plus Umsatzsteuer leisten zu können. Immerhin saß Klischewski nur wenige Meter von Olaf Scholz entfernt, der zum 15-jährigen Bestehen des Preises die Festrede hielt. „Das war schon krass", sagt Klischewski, „so nah war ich dem Kanzler noch nie."
Scholz-Vorgängerin Angela Merkel hatte mehrfach die Schirmherrschaft übernommen. Dieses Jahr sollen auf der Gala an diesem Donnerstag und Freitag laut Programm Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) auftreten.
Die Politik hat den Preis auch mit Staatsmitteln großgemacht. Der DNP erhielt Gelder vom Bundesministerium für Forschung (BMBF), für Wirtschaft (BMWK), für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), für Umwelt (BMUV) sowie vom Bundespresseamt (BPA). Insgesamt kamen so über die Jahre mindestens 4,9 Millionen Euro zusammen. Bis heute heißt es auf der Website des DNP, man vergebe die Auszeichnungen „in enger Kooperation mit der Bundesregierung".
Bei Nominierten und Preisträger:innen entsteht daher leicht der Eindruck, der DNP sei eine Art Bundesnachhaltigkeitspreis. „Wir dachten, das ist auf jeden Fall was Offizielles", sagt Alma Spribille, Mitgründerin des Mobilfunkanbieters Wetell.
In Wahrheit steckt hinter dem Preis vor allem der Fernsehmoderator Stefan Schulze-Hausmann, der mit Sendungen wie „Teleshop" auf Sat.1 oder „Nano" auf 3sat bekannt wurde. Befürworter:innen sagen, er habe das einstige Nischenthema Nachhaltigkeit auf die große Bühne geholt. Kritiker wie Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe halten den DNP für unseriös. „Das war von Anfang an im Grunde eine Werbeveranstaltung für Unternehmen."
Vergeben wird die Auszeichnung von einer „Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis". Die ist jedoch keine Stiftung, sondern ein Verein. In dessen Satzung ist festgelegt, dass für die „operative Umsetzung des Nachhaltigkeitspreises" ein „Generalauftragnehmer" beauftragt wird. Bisher war das in jedem Jahr die Coment GmbH. Gründer, alleiniger Geschäftsführer dieser Firma: Stefan Schulze-Hausmann.

Seit 2023 erhält der DNP keine finanziellen Mittel der Bundesregierung mehr. Das BMWK teilt mit, es habe „grundlegende zuwendungsrechtliche Bedenken" gegeben. Der Preis hat indes weiter damit geworben, mit verschiedenen Ministerien zusammenzuarbeiten, obwohl die das zum Teil bestreiten.
Der SPIEGEL und das Onlinemagazin Flip haben die enge Kooperation zwischen Politik und DNP rekonstruiert. Durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz kann sich die Recherche auf Kommunikation zwischen Schulze-Hausmann und dem BMZ stützen. Zudem wurden Gespräche mit Insidern, Preisträger:innen und Weggefährten von Schulze-Hausmann geführt.
Alles begann, als Schulze-Hausmann in den 2000er-Jahren für den Fernsehsender 3sat den Deutschen Umweltpreis moderierte. Während dieser Zeit, so berichtete er es dem Sender Love Green TV, sei ihm aufgefallen, dass „das N-Wort", Nachhaltigkeit, „vielen auf den Zünder" gehe. Man müsse es schaffen, zu erklären, dass Nachhaltigkeit Spaß mache und „auch Geld damit verdient werden" könne.
Noch während er als Moderator für den Deutschen Umweltpreis arbeitete, rief Schulze-Hausmann 2008 den DNP ins Leben. „Ich empfand das als irritierend und illoyal", sagt Fritz Brickwedde, der damalige Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die den Deutschen Umweltpreis vergibt. Ihm habe die Ausrichtung des DNP Unbehagen bereitet. Während der Deutsche Umweltpreis 2008 zwei Wissenschaftler für ihre Forschung ehrte, inszenierte Schulze-Hausmann den DNP als glamouröse Gala. Die Preise gingen in dem Jahr unter anderem an die Axel Springer AG, Henkel und Osram.
Schulze-Hausmann teilt schriftlich mit: Die Behauptung, die Gründung des DNP habe bei der DBU „Irritationen ausgelöst", sei unrichtig und durch nichts zu belegen. Auch sei die DBU später „langjähriger Partner" des DNP geworden und habe zum Beispiel Themenforen gefördert. Die DBU teilt mit, von einer „langjährigen Partnerschaft" könne nicht die Rede sein. Es habe nur vereinzelt Berührungspunkte gegeben.
Früh suchte Schulze-Hausmann die Nähe zur Politik. Für die erste Gala gewann er den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler als Schirmherrn, Ehrenpreise gingen bald an Politiker wie Wolfgang Schäuble (CDU) oder Joschka Fischer (Grüne). Von 2012 an erhielt der DNP Förderungen vom BMBF, später auch von den anderen Ministerien.
Schulze-Hausmann weiß die Politik zu umgarnen, das zeigen die Dokumente, die dem SPIEGEL und Flip vorliegen. Im März 2018 gratulierte Schulze-Hausmann in einem Brief dem damaligen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller (CSU) zu seiner zweiten Amtszeit und lud ihn als Ehrengast zum DNP ein. Mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung, schrieb er, lägen die wichtigen Zukunftsaufgaben „vor allem in Ihrem Ressort". Ein paar Monate später stand Gerd Müller bei der Abendgala im Rampenlicht. Das BMZ veranlasste in diesem Jahr Zahlungen von 421.000 Euro an den DNP.
Laut der internen Dokumente stieß man in Müllers Ministerium bald auf das besondere Konstrukt hinter dem DNP – und schaltete 2018 das Justiziariat ein, das sich mit der Doppelrolle von Schulze-Hausmann befasste. Seine Coment GmbH und die „Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis" teilen sich in Düsseldorf dieselbe Adresse. Und: Die Coment GmbH hatte sich schon vor der ersten Gala im Jahr 2008 die Marke „Deutscher Nachhaltigkeitspreis" und das dazugehörige Logo beim Patentamt schützen lassen. Es ist daher kaum vorstellbar, dass ein anderer Generalauftragnehmer als Schulze-Hausmanns eigene Firma den Preis organisieren, vermarkten und durchführen kann.
Schulze-Hausmann teilt dazu mit, dass der Stiftungsverein, dessen Vorstandsvorsitzender er ist, „selbstverständlich andere Generalauftragnehmer beauftragen" könne. Einen „Deutschen Nachhaltigkeitspreis" ohne Genehmigung oder Auftrag der Rechteinhaber zu organisieren, verstoße indes gegen das Marken- und Wettbewerbsrecht. Kritik an diesem Konstrukt und seiner Doppelrolle kann er nicht verstehen. Wie viel er persönlich über die Jahre mit dem DNP verdient hat? „Keine Angabe."
Das Justiziariat des BMZ kam zu dem Schluss, dass die Konstruktion rechtlich zwar in Ordnung sei, aber ein „mögliches Reputationsrisiko" bestehe. Sie riet, „die Hierarchie über die personelle Verquickung zu informieren". Ein Insider, der für das BMZ arbeitet, sagt: „Eigentlich war allen bewusst, dass das problematisch ist."
Nur Minister Müller, der auf Anfrage von SPIEGEL und Flip nicht reagiert hat, schien das nicht zu stören. Brieflich gratulierte er Schulze-Hausmann Weihnachten 2018 persönlich zur „gelungenen Abendgala". „Herzlichen Dank, Ihr Gerd Müller", schrieb er handschriftlich darunter. Und: „P.S. Das deutsche Textilbündnis" – ein Projekt des BMZ – „wäre sicherlich auch ein guter Preisträger 2019".
Der Vorschlag des Ministers setzte sich zwar nicht durch, doch das BMZ profitierte von der Bühne, die ihm der DNP bot. Im Juli 2020 schickte Schulze-Hausmann eine Mail an einen hochrangigen BMZ-Beamten. Das Geld des BMZ sei „die wichtigste Unterstützung des DNP" und „geradezu unverzichtbar". Er bot an, gleich mehrere Auszeichnungen zu nutzen, um Projekte des BMZ zu bewerben. Der Minister erhalte außerdem „Zugriff auf den gewünschten Zeitslot in der bestbesuchten Phase des Kongresses sowie auf das Opening der Preisverleihung als stärkste Auftrittsposition". Sogar ein „kostenfreies Add-on" stellte Schulze-Hausmann in Aussicht: eine Doppelseite im DNP-Magazin „z.B. für ein Interview mit Minister Müller".
Als Ende 2021 Svenja Schulze (SPD) das Ministerium übernahm, wurde die Zusammenarbeit mit dem DNP der internen Korruptionsprävention vorgelegt, mit der Empfehlung einer „grundsätzlichen Überprüfung". Am 27. April 2022 erhielt Schulze ein internes Informationsschreiben.
Auf fünf Seiten ist dort die Causa Schulze-Hausmann zusammengefasst. „Ein möglicherweise bestehender Interessenkonflikt", heißt es in dem Dokument, sei „nicht von der Hand zu weisen". Schulze-Hausmann profitiere „unmittelbar finanziell von der Finanzierung des Preises durch das BMZ". Es entstehe der „Anschein der persönlichen Begünstigung".
Ministerin Schulze entschied, „den DNP im Jahr 2022 letztmalig und nur in reduziertem Umfang zu fördern". Und besuchte ein letztes Mal die große Bühne in Düsseldorf, um einen Preis zu überreichen. Exakt 272.510 Euro flossen in dem Jahr vom BMZ an den DNP. Im Folgejahr beendete Schulze die Zusammenarbeit endgültig. Heute bestätigt noch das Bundesinnenministerium (BMI), bis Ende 2025 im Rahmen einer informellen und ideellen Partnerschaft beim DNP Sport mitzuwirken.
Doch Schulze-Hausmann mochte offenbar nicht davon lassen, mit der Regierung zu werben. In einer Mail an Nominierte hieß es 2023: Der Unternehmenspreis werde „in diesem Jahr zusammen mit dem Bundesumweltministerium" vergeben. Auch in einer Pressemitteilung bezeichnet der DNP das BMUV als „Partner".
Das Ministerium teilt dazu mit: „Nach Auffassung des Bundesumweltministeriums gibt und gab es keine ›Partnerschaft‹ zwischen dem DNP und dem Bundesumweltministerium". Schulze-Hausmann sieht das anders. Es habe 2023 durchaus eine „ideelle Partnerschaft" gegeben, die aber nicht vertraglich festgehalten worden sei. Fragt man erneut im Ministerium nach, heißt es: Tatsächlich sei eine fachliche Mitarbeit in der Jury für den Sonderpreis Biodiversität vorgesehen gewesen, die dann aber nicht zustande gekommen sei. Und: „Das BMUV strebt keine weitere Zusammenarbeit mit dem DNP an."
Auch bei Anton Klischewski vom FC Internationale ist die Euphorie verflogen. Nachdem er 2022 nicht gewonnen hatte, bewarb er sich 2023 erneut. Es meldete sich jemand aus dem DNP-Büro per E-Mail und wollte ihn dazu bringen, für ein Siegel zu bezahlen. Später schrieb ihm Schulze-Hausmann persönlich und regte an, den „Wettbewerbserfolg mit dem Finalisten-Siegel des DNP in den Markt zu kommunizieren". Angehängt hatte er eine Broschüre mit „Anwendungsbeispielen" samt Preisliste: Je nach Unternehmensgröße und Siegelart – es gibt Nominierungs-, Finalisten- und Sieger-Siegel – kostete die Lizenzierung zwischen 1250 und 20.000 Euro. Erst als Klischewski klarstellte, dass sein Verein so viel Geld nicht habe, meldet sich der DNP mit einem „Geschenk". Klischewski dürfe das Siegel kostenlos nutzen. Schulze-Hausmann teilt mit, dass das Siegelgeschäft des DNP der „marktüblichen Praxis" entspreche und klaren Compliance-Regeln folge, insbesondere seien Organisation und Entscheidung in den Wettbewerben strikt entkoppelt.

Auf der Preisverleihung im Jahr 2023 ging der FC Internationale wieder leer aus. Dafür wurden auf einen Schlag 100 Unternehmen ausgezeichnet, mehr als doppelt so viele wie in den fünf Jahren davor zusammen. Die Sieger:innen hatten nur wenige Sekunden auf der Bühne. Dort bekamen sie eine silberne Trophäe in die Hand gedrückt und mussten wortlos wieder verschwinden. Nicht einmal ein Danke konnten sie sagen. Eine Laudatio gab es nicht.
„Das hat sich nicht nach Anerkennung angefühlt, sondern nach Massenabfertigung", sagt Kerstin Erbe, Geschäftsführerin der ausgezeichneten Drogeriemarktkette dm. „Bei 100 Ausgezeichneten ist eine angemessene Würdigung gar nicht mehr möglich", sagt auch Alma Spribille von Wetell.
In diesem Jahr wird der DNP wieder an 100 Unternehmen vergeben, diesmal, so steht es in einer E-Mail an die Nominierten, „zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium". Auch das Logo des Ministeriums hat der DNP genutzt, etwa auf seiner Website. Wieder fragen Flip und der SPIEGEL nach. Wieder ist man irritiert: „Es besteht keine Zusammenarbeit zwischen dem DNP und dem BMWK." Und: Dass „der DNP das BMWK fälschlicherweise als Partner benennt, war uns nicht bekannt". Schulze-Hausmann teilt mit: Man habe nach dem Verlauf der Korrespondenz und der Gespräche „von einer ideellen Partnerschaft ausgehen" können. Das Ministeriums-Logo ist mittlerweile von der Website verschwunden.