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Das große Schweigen

Die Bundesliga geht wieder los – und zum ersten Mal müssen die Clubs nachweisen, wie nachhaltig sie sind. Was dabei herausgekommen ist, will der Verband nicht verraten. Unsere Recherchen zeigen: nichts Gutes.

18.08.2023 | von Konrad Ringleb

Im August 2022 betritt Donata Hopfen in grüner Bluse die Bühne des 1. Nachhaltigkeitsforums der Deutschen Fußball Liga (DFL). Mehr als 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Sport und Medien hat der Dachverband der deutschen Bundesligen ins Berliner Futurium geladen, ein gläsernes Gebäude an der Spree. Virtuell zugeschaltet sind mit Cem Özdemir und Svenja Schulze auch zwei Minister:innen der Bundesregierung. Alles an diesem Tag soll signalisieren, dass die DFL ein fortschrittlicher Fußballverband ist.

Dazu passt die neue Geschäftsführerin Hopfen, die in ihrer Zeit als Verlagsgeschäftsführerin bei Axel Springer mal Medienfrau des Jahres war und nun die Männerdomäne Fußball aufmischen will. Dazu passt auch ihre Botschaft:

»Wir haben die Nachhaltigkeit als ganz wichtiges Prioritätsthema erkannt«

Nur eine der üblichen Nachhaltigkeitsfloskeln? Hopfen ergänzt, die DFL habe eine entsprechende Richtlinie in die “Lizenzierungsordnung” aufgenommen. Diese Ordnung gehört zu den schärfsten Waffen des Verbandes und legt fest, wer überhaupt in der ersten und zweiten Bundesliga spielen darf. Was Hopfen sagt, ist eine kleine Revolution, denn alle 36 Teams müssen künftig nachweisen, wie nachhaltig sie sind. Und die DFL ist mächtig stolz darauf. Das Thema wird auch von den Medien aufgegriffen. Die Bundesliga wolle zur “nachhaltigsten Liga der Welt” werden, heißt es etwa auf ZEIT Online. Und: “Wer nicht mitmacht, steigt ab.”

Inzwischen ist ein Jahr vergangen und die neue Saison beginnt mit mächtigem Trubel. Der FC Bayern hat den Stürmerstar Harry Kane für über 100 Millionen Euro verpflichtet, Millionen von Zuschauer:innen werden am Freitagabend das Eröffnungsspiel zwischen den Münchnern und Werder Bremen im Fernsehen verfolgen, die Band “Boss Hoss” singt die Nationalhymne. Erstaunlich wenig ist jedoch von der so stolz angekündigten Nachhaltigkeitsoffensive der DFL zu hören, obwohl die neuen, scharfen Regeln in dieser Saison erstmals gelten. Bereits zum 15. März mussten die Vereine der DFL entlang von 39 Nachhaltigkeitskriterien berichten, von der eigenen Emissionsbilanz bis hin zu Anti-Doping-Workshops für die Spieler. Demnächst sollen noch mehr Kriterien abgefragt werden, insgesamt werden es dann 117 sein, darunter auch der Anteil veganer Bratwürste in den Stadien. Was die Frage aufwirft: Was ist bisher dabei herausgekommen? Welche Profivereine sind besonders klimaschädlich, welche gehen in Sachen Nachhaltigkeit voran? Und warum schweigt die DFL, nun wo die neuen Regeln in Kraft sind, weitgehend zum früher so wichtigen “Prioritätsthema”? 

Diesen Fragen ist Flip gemeinsam mit dem Fußballmagazin 11Freunde nachgegangen. Von allen 18 Bundesliga-Vereinen der vergangenen Saison wollten wir wissen, wie hoch ihre CO2-Emissionen sind – und wie oft beispielsweise ihre Mannschaft geflogen ist. Wir haben außerdem Hintergrund-Gespräche mit einem halben Dutzend von Klubvertreter:innen geführt. Und bei der DFL nachgehakt. Sind alle Vereine ihren Verpflichtungen nachgekommen? Und falls nicht: Welche Konsequenzen hatte das? Das Ergebnis ist ernüchternd. Die DFL und auch viele Vereine mauern. Die ermittelten CO2-Daten schaffen keine Klarheit, sondern einen chaotischen Datenwust, in dem ausgerechnet jene Vereine besonders schlecht abschneiden können, die schon viel machen. Wer die Kriterien der DFL dagegen nicht erfüllt, kommt ungeschoren davon. Denn Verstöße haben, anders als von der DFL in Aussicht gestellt, bisher keinerlei Konsequenzen. Und so entsteht das Bild einer Liga, die von ihrem Anspruch, in Sachen Nachhaltigkeit Maßstäbe zu setzen, so weit entfernt ist wie der FC Augsburg vom Gewinn der Champions League.

Zunächst wäre es natürlich interessant mit Donata Hopfen zu sprechen. Doch die Managerin ist längst nicht mehr bei der DFL. Offiziell wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die strategische Ausrichtung. Hopfen selbst schrieb später auf Linkedin, ihr habe intern der Rückhalt gefehlt. Auf eine Gesprächsanfrage von Flip hat sie nicht reagiert. Die Pressestelle der DFL wiederum will zu der Frage, ob die Emissionsbilanzen der Vereine vorliegen und was dabei herausgekommen ist, gar nichts sagen. Man teile oder kommentiere “grundsätzlich keine Club-Informationen aus dem Lizenzierungsverfahren”, heißt es kurz und knapp. Aus einem späteren Hintergrund-Gespräch mit der Nachhaltigkeitsmanagerin darf nicht zitiert werden. 

Bleibt nur, bei den 18 Bundesligaclubs nachzufragen. Das Ergebnis: Zehn Vereine teilen uns ihre Emissionen mit: der VfL Bochum, Werder Bremen, Hertha BSC, Borussia Dortmund, die TSG Hoffenheim, RB Leipzig, Mainz 05, Borussia Mönchengladbach, der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg. Der SC Freiburg, Eintracht Frankfurt, Schalke 04, Bayer Leverkusen und der FC Augsburg wollen ihre Zahlen im Laufe der Saison selbst veröffentlichen. Der 1. FC Köln, der auf seiner Homepage damit wirbt, klimaneutral zu sein, antwortet gar nicht, genau wie der FC Union Berlin und der FC Bayern München.

Die zehn Emissionsbilanzen jedoch erlauben einen Blick auf das Chaos der Daten. Denn: Jeder misst, wie er will, die DFL gibt nur wenige Mindestkriterien vor. So liegt RB Leipzig mit einem jährlichen CO2-Fußabdruck von  45.000 Tonnen an der negativen Spitze der zehn Teams. Borussia Dortmund kommt mit nur 3.120 Tonnen auf den geringsten Wert, dazwischen liegen etwa Gladbach (39.469 Tonnen), Hertha (10.550 Tonnen) und Hoffenheim (6.386 Tonnen).

Angaben in Tonnen CO2 oder CO2-Äquivalente, Quelle: Vereinsdaten

Nur sagen diese Daten leider nichts aus. Schon bei den Zeiträumen passt nichts zusammen. Als einziger der zehn Vereine analysierte RB Leipzig das Jahr 2022 – und damit hauptsächlich die Zeit nach Corona. Borussia Mönchengladbach nutzte dagegen einen Datensatz aus der Corona-Zeit – und rechnete die Emissionen anhand “normaler” Stadionauslastungen hoch. Andere Vereine wie Wolfsburg oder Bochum analysierten die Saison 2021/2022, in der noch viele Einschränkungen galten oder griffen wie der VfB Stuttgart sogar auf die Saison 2019/2020 zurück. “Die Pandemie hat keinen aussagekräftigen Bericht zugelassen”, sagt Stuttgarts Nachhaltigkeitsverantwortlicher Steffen Lindenmaier. Tatsächlich macht es für die CO2-Bilanz einen gewaltigen Unterschied, ob Spiele mit Zuschauer:innen stattfinden und Zehntausende von Fans mit dem Auto anreisen. Wenn sich die Clubs selbst aussuchen können, ob sie aus der Zeit vor, nach oder während der Pandemie berichten, ist ein Vergleich erkennbar sinnlos.

Hinzu kommt, dass die Bundesligisten ganz unterschiedlich rechnen. Vereinfacht gesagt werden Emissionen in einem Dreischritt gemessen: Scope-1-Emissionen entstehen direkt im Unternehmen, etwa durch Firmenwagen. Scope-2-Emissionen sind indirekte Emissionen und gehen etwa auf den Bezug von Strom zurück. Scope-3-Emissionen entstehen dagegen im Umfeld des Unternehmens, im Fußball vor allem, wenn Fans zum Stadion reisen. Das Beispiel Leipzig zeigt, wie groß der Anteil dieser Scope-3-Emissionen ist. “Wir haben die Reisetätigkeit von Mitarbeitern und Fans als großen Hebel identifiziert”, sagt Vereinssprecher Christoph Wulf. Der Club betreibt deshalb eine Fahrradgarage am Stadion, stellt elektrische Autos für Spieler und Beschäftigte und zahlt seinen Fans für die Anreise zum Stadion ein ÖPNV-Ticket. Trotzdem machen die Scope-3-Emissionen noch immer 86 Prozent der Gesamtemissionen aus – und führen dazu, dass Leipzig schlecht abschneidet. Dortmund hingegen lässt die Scope-3-Emissionen einfach komplett weg – und wird so zum vermeintlichen Klimasieger.

“Es ist praktisch nicht möglich, auf Basis von Gesamtzahlen Bundesligisten zu vergleichen. Man kann nicht unser Stadion mit 60.000 Zuschauern mit einem Stadion vergleichen, das nur halb so groß ist. Vielleicht, wenn man einen Pro-Kopf-Ausstoß errechnen würde. Aber dazu müssten alle Vereine nach denselben Richtlinien und Vorgaben berechnen”, sagt Steffen Lindenmaier vom VfB Stuttgart. Die aber gibt es nicht, genauso wenig wie gemeinsame Klimaziele, die sich viele Klubs wünschen. 

»Die DFL hat ausgegeben, dass sie die nachhaltigste Liga der Welt werden möchte, dafür braucht es auch gemeinsame Ziele, wie zum Beispiel die kontinuierliche Reduktion des gesamten CO2-Fußabdrucks des Profifußballs.«

Bisher aber ist völlig unklar, was die Liga, die international Maßstäbe setzen will, eigentlich erreichen möchte.

Nun kann nicht sofort alles perfekt sein. Vereinsvertreter:innen betonen etwa, dass der Verband sie mit Sprechstunden, Beratung und Weiterbildungsangeboten unterstützt. Und trotzdem bleibt die bohrende Frage: Wozu der ganze Zirkus, wenn am Ende nur Datenwust dabei herauskommt? Und ist es nicht das Mindeste, die Daten öffentlich zu machen und so eine Diskussion zu ermöglichen?

Wie groß die Angst vor echter Transparenz in der Liga ist, zeigt sich bei den Flügen der Mannschaften zu Auswärtsspielen. Nur drei Klubs geben Auskunft: Hertha BSC, der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim. Die Hertha flog 2022 13 Mal, die kürzeste Strecke führte sie ins knapp 400 Kilometer entfernte Ruhrgebiet zu den Spielen in Dortmund und Bochum. Der VfB Stuttgart nahm zehn Mal den Flieger in der Saison 21/22, auch zu den Spielen in Köln und Leverkusen, was jeweils nur 275 Kilometer Flugstrecke entspricht. Hoffenheim flog in der vergangenen Saison zu neun Spielen, die kürzeste Strecke führte nach München, das gerade einmal rund 240 Kilometer Flugstrecke entfernt liegt. “Wir bewegen uns hier immer wieder in einem Spagat zwischen Verantwortungsbewusstsein und den Anforderungen des Spitzensports”, sagt TSG-Nachhaltigkeitsmanager Stefan Wagner. “Daher finden wir die Debatte um Kurzstreckenflüge auch unbedingt richtig.”

One-Way-Distanzen, Flugstrecken errechnet mit luftlinie.org, Quelle: Vereinsdaten

Andere Vereine mauern. Motto: Je weniger wir preisgeben, desto weniger Angriffsfläche bieten wir. Das wollte die DFL eigentlich mit ihrer Nachhaltigkeitsoffensive verändern. Klar sollte sein: Wer nicht berichtet, wird sanktioniert. Dabei handelt es sich bei den Nachhaltigkeitskriterien um sogenannte B-Kriterien. Soll heißen: Die Klubs dürfen auch dann weiterspielen, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. 

Aber: Die DFL kann Sanktionen verhängen, so steht es im Beschluss. Wurden also tatsächlich Strafen ausgesprochen? Der Ligaverband will dazu nichts sagen. Einige Vereine räumen im vertraulichen Gespräch Versäumnisse ein. Die Konsequenzen? Keine.

Disclaimer

Für das Crowdfunding des Marabu-Sneakers und dessen weitere Realisierung hat FLIP gemeinsam mit dem Münchner Sneakerhersteller MONACO DUCKS die Firma GRND gegründet, an der beide Partner zu 50 Prozent beteiligt sind.

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