Was ist das Problem?

Was wir essen und trinken, hat einen riesigen Einfluss auf das Klima. Wenn wir es retten wollen, müssen wir also zwangsläufig auch beim Essen Treibhausgase einsparen. Die meisten Konsument:innen wollen das sogar, hat eine BCG-Studie herausgefunden. Allerdings werden die Emissionen von Lebensmitteln meistens falsch eingeschätzt. Wie klimaschädlich die rund 12.000 Produkte sind, die es durchschnittlich in deutschen Supermärkten gibt, ist nämlich schwer zu durchschauen. Die Verpackungen sind voll mit Greenwashing-Slogans oder Siegeln, die nicht miteinander vergleichbar sind.

31 Prozent der Treibhausgase weltweit entstehen bei der Produktion von Lebensmitteln, sagt eine Studie der University of Illinois.

Was ist der Ansatz des Klimalabels?

Die Initiative Together For Carbon Labelling (TCL) fordert, dass auf allen Lebensmitteln angegeben wird, wie viele Treibhausgase bei der Produktion freigesetzt werden. Ihr Vorschlag: Ein gesetzliches Klimalabel, das so ähnlich funktioniert wie der Nutri-Score, der heute schon auf vielen Lebensmitteln zu sehen ist und angibt, wie gesund sie sind. Das Klimalabel soll ebenfalls aus einer Skala mit fünf Farben bestehen – und einen CO2E-Wert angeben, eine Maßeinheit, mit der die Klimawirkung verschiedener Treibhausgase vereinheitlicht werden kann. Das soll Transparenz für Verbraucher:innen bringen und nachhaltiges Einkaufen leichter machen. Geht es nach TCL, soll der Bundestag noch vor der nächsten Wahl einen Gesetzentwurf dazu vorlegen.

So könnte das neue Klimalabel aussehen. Foto: TLC

Das Ungewöhnliche an der Idee: Sie kommt nicht etwa von einer NGO oder aus der Politik, sondern aus der Industrie. Hinter der Initiative stecken sieben Unternehmen. Darunter Nestlé, das seinen Ruf als Umweltzerstörer seit Jahren nicht los wird und der Hafermilchproduzent Oatly, von dem sich viele Kund:innen verraten fühlen, seit ein prominenter Trump-Unterstützer als Groß-Investor eingestiegen ist. Außerdem dabei: MyMüsli, Frosta, Hello Fresh, die vegane Marke Veganz und Freche Freunde, ein Hersteller von Kindernahrung. Sie haben sich in der Initiative TCL zusammengetan und gemeinsam ein Klimalabel entwickelt. Warum? Svenja Fritz, Head of Communication and Public Affairs bei Oatly, begleitet die Initiative von Anfang an. Sie sagt:

»Die Lebensmittelindustrie muss insgesamt transparenter werden. Deshalb übernehmen wir die Arbeit, die die Politik eigentlich machen müsste.« Svenja Fritz, Oatly

Wie kommt es dazu?

Angefangen hat die Debatte mit einer Petition, die Oatly 2019 in Deutschland gestartet hat. Mit einer riesigen Kampagne warb das Unternehmen damals für das Klimalabel und sich selbst. Schnell gab es Unterstützung von Nestlé und anderen Firmen wie Fritz Kola oder Rügenwalder Mühle. Auch der YouTuber Rezo, die Autorin Charlotte Roche und Luisa Neubauer von Fridays for Future hatten mit dazu aufgerufen. Mit über 57.000 Unterschriften kam die Petition vor den Petitionsausschuss des Bundestags – für Oatly ein riesiger Marketing-Erfolg.

Kam gut an: Über 57.000 Menschen unterschrieben 2019 die Petition von Oatly. Foto: Oatly

Glaubt man Svenja Fritz von Oatly, ging es aber von Anfang an um mehr als nur Marketing: Sie sagt: „Wir haben damals gemerkt, dass es den Konsument:innen nicht viel bringt, wenn wir unseren CO2e-Fußabdruck auf der Verpackung angeben, solange andere Lebensmittelhersteller nicht mitmachen. Also wollten wir eine gesetzliche Lösung für die Branche anstoßen.” Sie erzählt, wie man sich über die Unterstützung aus der Öffentlichkeit und von den anderen Unternehmen gefreut habe, nur politisch sei lange nichts passiert. Die Antwort des Petitionsausschusses kam rund zwei Jahre nach der Debatte. Man begrüße das Engagement für ein Klimalabel, ohne parlamentarische Mehrheit könne man der Bundesregierung aber keine Handlungsempfehlung geben. Deshalb, so Svenja Fritz, sei man am Klimalabel dran geblieben und habe sich mit anderen Firmen zur Initiative TCL zusammengetan.

Seit der Gründung 2021 kamen mehrere Lebensmittelhersteller und eine externe Unternehmensberatung zur Koordination dazu. Außerdem sind eine Umweltorganisation und ein wissenschaftlicher Beirat dabei und beraten die Initiative. Sie würden sich, erzählt Svenja Fritz, ein Mal wöchentlich austauschen und gemeinsam am Klimalabel arbeiten.

Wie soll das funktionieren und was bringt es?

Mit dem Entwurf des Klimalabels ist die Initiative schon ziemlich weit. Der Vorschlag umfasst eine Ampel, die an den Nutri-Score erinnert und einen so genannten CO2E-Wert zwischen 0 und 100, der zeigen soll, wie viele Treibhausgase ein Produkt ausstößt. Dazu gibt es einen QR-Code, mit dem Verbraucher:innen mehr Infos zu den Klimaauswirkungen finden können. Damit soll das Klimalabel besonders einfach und verständlich sein. Optisch ist der Vorschlag der Initiative schon mal sinnvoll. Denn: So ein Design ist für Konsument:innen am einfachsten zu verstehen. Das zeigt eine Studie in sechs EU-Ländern, die verschiedene Arten von Klimalabeln untersucht hat.

Auch zur Wirkung von Klimalabeln gibt es schon einige Erkenntnisse. Dass Produkte mit Klimalabel grundsätzlich häufiger gekauft werden, zeigen mehrere Studien. Allerdings gilt das einer Untersuchung der Verbraucherzentralen zufolge nicht nur für sinnvolle Label, sondern auch für unverständliche Siegel oder Greenwashing-Bullshit. Wirtschaftsingenieurin Amelie Michalke von der Uni Greifswald hat zu Lebensmittelkennzeichnungen promoviert und sagt, die Umweltauswirkungen von Lebensmitteln seien so komplex und unübersichtlich, dass man von Konsument:innen nicht erwarten könne, zwischen allen Siegeln und Kennzahlen abzuwägen und die klimafreundlichsten Produkte zu finden:

»Beim Einkaufen im Supermarkt hat man keine Lust, kognitive Aufgaben zu lösen und unterschiedliche Label zu entschlüsseln.« Amelie Michalke, Uni Greifswald

Allerdings, das legen zumindest Erfahrungen aus Schweden nah, kann ein funktionierendes Klimasiegel Konsument:innen tatsächlich zum nachhaltigeren Einkauf bewegen. Vor allem Menschen, die vorher schon nachhaltiger einkaufen wollten, sind demnach bereit, Emissionen zu sparen und dafür mehr zu bezahlen.

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