Hier gibt's die ganze Geschichte zum Anhören:

Worum genau ging es nochmal?

Nach einer investigativen Recherche wie der Sneakerjagd eine radikal-lösungsorientierte Produktentwicklung anzustoßen, war ungewöhnlich. Wir aber fanden: Es passt zu Flip. Weil wir nicht nur kritisch, sondern auch konstruktiv sein wollen. Und weil wir während der Sneakerjagd festgestellt hatten, dass sich weder auf politischer noch auf unternehmerischer Ebene jemand um unseren Schuhmüll in Afrika kümmert. Natürlich haben wir nicht geglaubt, dass wir als kleines Medien-Startup das Problem im Alleingang lösen können. Aber wir wollten in einem kleinen, wissenschaftlich begleiteten Projektteam ein konkretes Konzept ausprobieren, darüber in einem journalistischen Selbstversuch berichten und so für Aufklärung sorgen.

Die Idee: In Kenia, wo die Sneakerjagd endete, sollten nicht mehr nutzbare Sneaker gesammelt und zu einem Granulat geschreddert werden, das dann in neuen Mittelsohlen verarbeitet wird. Dadurch sollten alte Sneaker am Ende ihres Lebenszyklus nicht in der Umwelt oder auf illegalen Mülldeponien landen, sondern zum Ausgangsmaterial eines neuen Recycling-Sneakers werden. Ein derartiges Recycling von „Post Consumer Waste“ im Sneakerbereich gab es zuvor noch nicht. Zusammen mit dem nachhaltigen Schuhhersteller Monaco Ducks und dem kenianischen Recycling-Startup Africa Collect Textiles (ACT) haben wir dann losgelegt. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von der Hochschule Reutlingen. Am Ende dieses „Sneaker-Experiments“ stand dann tatsächlich der Prototyp eines Recycling-Sneakers. Wir haben ihn Marabu genannt. Der Beweis war erbracht: Ja, es geht! Man kann einen Schuh bauen, der dabei hilft, den Textilmüll aufzuräumen. Mit dieser Feststellung endete unsere journalistische Berichterstattung.

Der fertige Sneaker auf einer alten Sohlen-Presse. Foto: Lorenz Jeric

Um den Sneaker dann tatsächlich zu produzieren, entstand die GRND GmbH, an der sich Monaco Ducks und Flip zu je 50 Prozent beteiligt haben. Wir fanden es am Ende einfach richtig, dass die Lösung nicht einfach in der Schublade verschwindet, sondern dass der Sneaker auch wirklich produziert wird, klar getrennt von Flip. 

Woran ist GRND gescheitert?

Um es gleich vorweg zu sagen: Wir haben mit GRND kein Geld verdient. Im Gegenteil. Klar, es war nie das Ziel, damit reich zu werden. Wir wollten vor allem etwas zum Guten verändern. Aber klar ist auch: Ein nachhaltiges Unternehmen muss sich selbst tragen können.

Im Kern ist das an zwei Dingen gescheitert. Erstens fehlte es GRND an genug Geld und Personal. Zweitens, und das hängt eng damit zusammen, zeigte sich, dass das Geschäftsmodell von GRND nicht wirklich tragfähig wurde. Die Herstellungskosten eines Marabus lagen bei rund 60 Euro. Das ist bei einer Kleinserien-Menge – wir haben rund 1500 Paar hergestellt – auch normal. Es hat aber Folgen: Üblich sind in der Branche Verkaufspreise, bei denen man die Herstellungskosten mal fünf nimmt. Man hätte den Sneaker also für 300 Euro verkaufen müssen, um auf eine übliche Handelsmarge zu kommen. Ein Preis, der kaum durchsetzbar wäre und sehr viele Menschen ausschließen würde. Stattdessen wurde der Marabu im Schnitt für rund 130 Euro verkauft.

Um das besser auszutarieren und die Produktionskosten zu senken, wären also größere Serien nötig gewesen, etwa eine Bestellung von 10.000 Paaren. Um eine solche Skalierung zu stemmen, braucht man aber: Geld und Personal. Dass diese Henne-Ei-Situation betriebswirtschaftlich nicht nachhaltig war, zeigt die Tatsache, dass die GRND GmbH in den zwei Geschäftsjahren ihres Bestehens rund 26.000 Euro Verlust gemacht hat. 

Was hat gut funktioniert?

Wir konnten zeigen, dass das Konzept unterm Strich Sinn macht. Dazu haben wir für den Marabu vom IFEU-Institut eine Lebenszyklusanalyse erstellen lassen, die systematisch seine Umweltauswirkungen analysiert. Das Ergebnis: Der Sneaker ist für etwa sechs Kilogramm CO2-Äquivalente verantwortlich. Ein herkömmlicher Sneaker verursacht etwa 17 Kilogramm. Der Marabu schneidet in seiner Klimabilanz also bis zu dreimal besser ab als andere Sneaker. Es gab aber auch Bereiche, in denen der Marabu nicht besser war, aufgrund des Kautschuks für die Sohle etwa beim Wasserverbrauch.

Außerdem haben wir mit der Geschichte des Marabu viele Menschen erreicht. Wir haben bei Flip berichtet, es gab einen Podcast vom NDR und einen Galileo-Beitrag bei ProSieben. Wir hoffen, auf diese Weise dafür sensibilisiert zu haben, dass unser Schuhmüll ein Problem ist. Und dass es gute Konzepte braucht, um ihn in den Griff zu kriegen.

Insgesamt wurden rund 1500 Paar Marabu bestellt. Und ja, ein bisschen stolz darauf, dass sie auch alle ausgeliefert wurden, sind wir auch. Das ist natürlich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. In der Praxis aber war es oft ein Kampf, der uns viel Kraft gekostet hat.

Was hat nicht so gut funktioniert?

Rückblickend muss man sagen: Wir haben die Komplexität, so einen Sneaker zu produzieren, völlig unterschätzt. Schon der Import alter, abgetragener Schuhe aus Kenia ist knifflig. Denn: Geschredderte Schuhe gelten als Müll – und sind dadurch diversen Auflagen unterworfen. Das GRND-Team musste sich mit dem Zoll herumschlagen, Abfallrecht wälzen und sich mit Anwält:innen beraten. Für unsere Kleinserie haben wir dann kreative Lösungen gefunden, ein größerer Rückimport unseres Textilmülls wäre aber eine bürokratische Tortur geworden. Eine wesentliche Erkenntnis ist also: Während aus Europa jedes Jahr Unmengen an alten Schuhen nach Kenia geschickt werden, ohne dass sich daran irgendwer groß stört, wird es einem ziemlich schwer gemacht, sie wieder zurückzuholen.

Es folgten ziemlich banale Probleme, die dazu geführt haben, dass wir die Sneaker erst deutlich später ausliefern konnten als geplant und versprochen. In der Produktion und Logistik waren wir auf Partner angewiesen, immer wieder gab es Verzögerungen. Das war auch für uns ein blödes Gefühl und wir mussten Euch immer wieder vertrösten.

Wie geht es jetzt weiter?

Die GRND GmbH wird abgewickelt. Das Unternehmen befindet sich in Liquidation, wie es ganz korrekt heißt. Wir hoffen dennoch, dass die Idee und die Geschichte des Sneakers weiterlebt. Bei dem Projekt ging es immer auch darum, perspektivisch möglichst viel Wertschöpfung nach Afrika zu verlagern. Was von GRND einen gewissen Wert hat, ist die Marke und die Story dahinter. Deshalb haben wir die eingetragene Marke GRND für einen symbolischen Euro an Africa Collect Textiles (ACT) verkauft, das Recycling-Startup aus Kenia, mit dem wir den Schuh zusammen entwickelt haben. Wann und wie unsere Freunde von ACT die Marke wiederbeleben werden, ist noch unklar, aber dass sie es eines Tages gerne versuchen wollen, da sind sie sich sicher. Und es wäre doch wirklich ein Happy End, wenn es irgendwann GRND-Sneaker made in Kenya gäbe!

Und was bedeutet das unterm Strich?

Die Bilanz fällt gemischt aus. Einerseits ist es schade, so ein Projekt zu beerdigen. Weil viel Arbeit reingeflossen ist. Und weil wir uns eine noch größere Wirkung von ihm erhofft hatten. Leider ist es aber verdammt aufwendig und teuer einen solchen Recycling-Schuh herzustellen. Dafür ein nachhaltiges Unternehmen mit einem tragfähigen Geschäftsmodell aufzubauen, ist zumindest uns in dieser Konstellation nicht gelungen.

Waren wir ein bisschen naiv? Vielleicht. Trotzdem wollen wir uns den Spirit, im Zweifel einfach mal zu machen, statt zu mosern, auch in Zukunft nicht nehmen lassen. Wir haben viel gelernt und viele Menschen daran teilhaben lassen. Und tatsächlich ist es ein schönes Gefühl, wenn man jemand in der U-Bahn mit einem Marabu-Sneaker entdeckt und denkt: Wow, den würde es ohne uns nicht geben! Insofern sagen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Bye bye, GRND. 

P.S.: Ansonsten gilt, dass alte Marabu-Sneaker nach Ihrer Lebenszeit
zum Recycling an Monaco Ducks zurückgeschickt werden können. Auch
die 10 Euro Pfand auf den Schuh gibt es dann zurück. Bei Monaco
Ducks gibt es auch die wenigen Marabus, die noch übrig sind.

GRND
Ein Schuh der aus dem Müll illegaler Mülldeponien in Afrika gemacht wird. Erfahre hier mehr!

Teile diesen Beitrag