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Für diese Reportage haben wir mit der Wirtschaftszeitschrift brand eins kooperiert. Sie ist im Rahmen des Fellowships des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises entstanden, das Flip gemeinsam mit der ING Deutschland ins Leben gerufen hat.
Hier kannst Du dir den ganzen Artikel anhören:

Die Reise zum Anfang der Lieferkette endet an einem klapprigen Gittertor in der Wüste, rund 8.500 Kilometer Luftlinie südlich von Deutschland. Eigentlich ist es verboten, das Metalltor am Ende der staubigen Schotterpiste zu passieren. „NO UNAUTHORIZED ENTRY“, prangt auf dem blauen, schief stehenden Schild neben dem Tor. Die Sonne knallt vom Himmel, über dem Sand flimmert die Hitze. Heinz Manns, 62 Jahre alt, ein hochgewachsener Mann mit Ohrring und Halbglatze, steigt vor dem Tor aus seinem Geländewagen und öffnet das Kettenschloss. Eine kurze Funkfreigabe, dann darf er weiterfahren.

Er ist Touristenführer und einer der wenigen Menschen, die das Gebiet an der Atlantikküste im Südwesten Afrikas betreten dürfen. Deutsche Kolonialherren entdeckten hier, in der namibischen Wüste, vor mehr als hundert Jahren Diamanten und bauten sie ab. Das Areal ist seit 2008 ein Nationalpark, aber als Sperrgebiet ausgewiesen, um Diamantensucher:innen abzuschrecken. Manns lebt in dritter Generation deutscher Auswander:innen in Namibia. „Außer mir hat sich früher kaum jemand in diese Weiten der Wüste verirrt“, erzählt er.

Manns öffnet das Tor zum Sperrgebiet. Bild: Leon Kirschgens

Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Manns lenkt den Wagen über einen Hügel, im Rückspiegel verschwindet das Gittertor im aufwirbelnden Staub. Er folgt der kerzengeraden Piste Richtung Süden, das Wüstental erstreckt sich bis an den Horizont. Maximal 80 Kilometer pro Stunde sind auf dem Schotter erlaubt. „Mittlerweile sehe ich hier ab und zu fremde Jeeps durch die Landschaft brettern“, erläutert Manns. „Das sind Delegationen von Wissenschaftlern und Geschäftsleuten.“

Ausgerechnet die namibische Wüste, in der Manns’ Vorfahren einst nach Diamanten suchten, wird nun wieder zum Kristallisationspunkt deutscher Hoffnungen. Es geht um das große Ganze, um die Energiewende, das Klima, aber auch um unseren Wohlstand. Deutschland ist ein Industrieland. Wir produzieren Autos, Maschinen und chemische Produkte. All das kostet viel Energie. Und die soll künftig auch aus der Wüste Namibias kommen.

Die Bedingungen dort sind nahezu perfekt. In manchen Gebieten des Tsau-Khaeb-Nationalparks weht der Wind das ganze Jahr, die Sonne scheint an rund 300 Tagen. Bald schon sollen hier Windräder und Sonnenkollektoren sieben Gigawatt Strom pro Jahr produzieren, etwa so viel wie sieben Atomkraftwerke. Als grüner Wasserstoff soll die Energie dann nach Deutschland kommen – und eine Schlüsselrolle dabei spielen, unsere Wirtschaft klimaneutral zu machen. „Investitionen in Wasserstoff sind eine Investition in unsere Zukunft“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Sommer des vergangenen Jahres anlässlich der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie.

Das Problem dabei: Der grüne Wasserstoff muss irgendwie nach Deutschland kommen. Schon in wenigen Jahren sollen die ersten Tanker in deutschen Häfen einlaufen. Doch ist das überhaupt realistisch? Oder handelt es sich um das, was die Rechercheplattform Correctiv im März 2024 einen „Wasserstoff-Bluff“ nannte? Die Technik sei eine große Verheißung, hieß es, die uns im sicheren Gefühl wiege, mit dem Wasserstoff-Joker werde die Energiewende schon gelingen – obwohl die Infrastruktur dafür noch gar nicht stehe und die vielen Milliarden Euro an Subventionen anderswo besser eingesetzt wären.

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Der Traum vom grünen Wasserstoff beflügelt die Fantasien von Politiker:innen und Investor:innen. Fragt man nach, wie genau er Wirklichkeit werden soll, bleibt vieles vage. Im Fall von Namibia aber kann man es konkret machen. Man kann die Route nehmen, auf der grüner Wasserstoff schon in ein paar Jahren transportiert werden soll, Station für Station, von der Wüste bis in die norddeutsche Provinz.

Etappe 1: Durch die Wüste, aus der Wasserstoff kommen soll

Zwei Autostunden südlich des Gittertors, mitten im Nationalpark, nimmt Heinz Manns eine Hand vom Lenkrad und deutet aus dem Seitenfenster. Am Horizont ragt ein Mast in die Höhe. „Er misst unter anderem Windgeschwindigkeit, Temperaturen und Luftdruck und ermittelt den besten Standort für die Stromerzeugung“, erklärt er. Drum herum erstreckt sich eine Wüstenlandschaft, die nur von der Schotterpiste und vereinzelten Sandhügeln unterbrochen wird. Am Himmel ist keine einzige Wolke zu sehen.

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