Im August 2022 betritt Donata Hopfen in grüner Bluse die Bühne des 1. Nachhaltigkeitsforums der Deutschen Fußball Liga (DFL). Mehr als 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Sport und Medien hat der Dachverband der deutschen Bundesligen ins Berliner Futurium geladen, ein gläsernes Gebäude an der Spree. Virtuell zugeschaltet sind mit Cem Özdemir und Svenja Schulze auch zwei Minister:innen der Bundesregierung. Alles an diesem Tag soll signalisieren, dass die DFL ein fortschrittlicher Fußballverband ist.
Dazu passt die neue Geschäftsführerin Hopfen, die in ihrer Zeit als Verlagsgeschäftsführerin bei Axel Springer mal Medienfrau des Jahres war und nun die Männerdomäne Fußball aufmischen will. Dazu passt auch ihre Botschaft:
»Wir haben die Nachhaltigkeit als ganz wichtiges Prioritätsthema erkannt« Donata Hopfen, ehemalige Vorsitzende der Geschäftsführung der DFL
Nur eine der üblichen Nachhaltigkeitsfloskeln? Hopfen ergänzt, die DFL habe eine entsprechende Richtlinie in die “Lizenzierungsordnung” aufgenommen. Diese Ordnung gehört zu den schärfsten Waffen des Verbandes und legt fest, wer überhaupt in der ersten und zweiten Bundesliga spielen darf. Was Hopfen sagt, ist eine kleine Revolution, denn alle 36 Teams müssen künftig nachweisen, wie nachhaltig sie sind. Und die DFL ist mächtig stolz darauf. Das Thema wird auch von den Medien aufgegriffen. Die Bundesliga wolle zur “nachhaltigsten Liga der Welt” werden, heißt es etwa auf ZEIT Online. Und: “Wer nicht mitmacht, steigt ab.”
Inzwischen ist ein Jahr vergangen und die neue Saison beginnt mit mächtigem Trubel. Der FC Bayern hat den Stürmerstar Harry Kane für über 100 Millionen Euro verpflichtet, Millionen von Zuschauer:innen werden am Freitagabend das Eröffnungsspiel zwischen den Münchnern und Werder Bremen im Fernsehen verfolgen, die Band “Boss Hoss” singt die Nationalhymne. Erstaunlich wenig ist jedoch von der so stolz angekündigten Nachhaltigkeitsoffensive der DFL zu hören, obwohl die neuen, scharfen Regeln in dieser Saison erstmals gelten. Bereits zum 15. März mussten die Vereine der DFL entlang von 39 Nachhaltigkeitskriterien berichten, von der eigenen Emissionsbilanz bis hin zu Anti-Doping-Workshops für die Spieler. Demnächst sollen noch mehr Kriterien abgefragt werden, insgesamt werden es dann 117 sein, darunter auch der Anteil veganer Bratwürste in den Stadien. Was die Frage aufwirft: Was ist bisher dabei herausgekommen? Welche Profivereine sind besonders klimaschädlich, welche gehen in Sachen Nachhaltigkeit voran? Und warum schweigt die DFL, nun wo die neuen Regeln in Kraft sind, weitgehend zum früher so wichtigen “Prioritätsthema”?
Diesen Fragen ist Flip gemeinsam mit dem Fußballmagazin 11Freunde nachgegangen. Von allen 18 Bundesliga-Vereinen der vergangenen Saison wollten wir wissen, wie hoch ihre CO2-Emissionen sind – und wie oft beispielsweise ihre Mannschaft geflogen ist. Wir haben außerdem Hintergrund-Gespräche mit einem halben Dutzend von Klubvertreter:innen geführt. Und bei der DFL nachgehakt. Sind alle Vereine ihren Verpflichtungen nachgekommen? Und falls nicht: Welche Konsequenzen hatte das? Das Ergebnis ist ernüchternd. Die DFL und auch viele Vereine mauern. Die ermittelten CO2-Daten schaffen keine Klarheit, sondern einen chaotischen Datenwust, in dem ausgerechnet jene Vereine besonders schlecht abschneiden können, die schon viel machen. Wer die Kriterien der DFL dagegen nicht erfüllt, kommt ungeschoren davon. Denn Verstöße haben, anders als von der DFL in Aussicht gestellt, bisher keinerlei Konsequenzen. Und so entsteht das Bild einer Liga, die von ihrem Anspruch, in Sachen Nachhaltigkeit Maßstäbe zu setzen, so weit entfernt ist wie der FC Augsburg vom Gewinn der Champions League.
Zunächst wäre es natürlich interessant mit Donata Hopfen zu sprechen. Doch die Managerin ist längst nicht mehr bei der DFL. Offiziell wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die strategische Ausrichtung. Hopfen selbst schrieb später auf Linkedin, ihr habe intern der Rückhalt gefehlt. Auf eine Gesprächsanfrage von Flip hat sie nicht reagiert. Die Pressestelle der DFL wiederum will zu der Frage, ob die Emissionsbilanzen der Vereine vorliegen und was dabei herausgekommen ist, gar nichts sagen. Man teile oder kommentiere “grundsätzlich keine Club-Informationen aus dem Lizenzierungsverfahren”, heißt es kurz und knapp. Aus einem späteren Hintergrund-Gespräch mit der Nachhaltigkeitsmanagerin darf nicht zitiert werden.