Was ist das Problem?
Eine Cola zum Mittag, ein Eistee für Zwischendurch, RedBull zum Wachbleiben: Viele von uns trinken zu viele süße Getränke. Vor allem Limonaden, aber auch Energydrinks, Schorlen und Wasser mit Geschmack sind beliebt. Das steigert nicht nur das Risiko für Karies, Übergewicht und Diabetes, sondern ist auch schlecht für die Umwelt: Rund die Hälfte aller Getränke wird in Einweg-Plastikflaschen verpackt. Das produziert Unmengen an Müll und verbraucht Ressourcen wie Kunststoff und Rohöl
119 Liter
Erfrischungsgetränke hat jede:r in Deutschland nach Hochrechnungen der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke im Schnitt 2021 getrunken
Was ist die Idee von Air Up?
Das Start-up verkauft Trinkflaschen mit wechselbaren Duftringen, die das Wasser nach Cola, Orange-Vanille oder Pfirsich schmecken lassen. Das funktioniert durch das “retronasale Riechen”: Zusammen mit dem Sprudel- oder Leitungswasser in der Flasche kommen beduftete Luftbläschen in den Mund, die über den Rachen in die Nase aufsteigen und in der Regel wieder ausgeatmet werden. Das Gehirn interpretiert diese Reize als Geschmack. Eine “Revolution” nennt Air Up seine Erfindung.

Die Idee zu Air Up kam Lena Jüngst und Tim Jäger 2016 während ihrer Bachelorarbeit in Schwäbisch Gmünd. Seit 2019 beliefert das Start-up mehr als eine Million Kund:innen in acht europäischen Ländern. Auf Instagram folgen 177.000 Menschen der Marke, mehr als das doppelte der deutschen Instagram-Seiten von Coca-Cola und Pepsi.
Vor allem bei Jugendlichen hat Air Up einen regelrechten Hype ausgelöst. Teenager tauschen sich auf TikTok über ihre Lieblingsgeschmäcker aus und teilen begeistert Videos, wenn die lang ersehnte 40-Euro-Flasche endlich ankommt.
Fast genauso beliebt ist Air Up bei Investoren. Die “Höhle der Löwen”-Juroren Frank Thelen und Ralf Dümmel, aber auch PepsiCo sind als Geldgeber mit dabei. Insgesamt hat Air Up mehr als 60 Millionen Euro an Kapital eingesammelt. Sogar das amerikanische Schauspieler-Ehepaar Ashton Kutcher und Mila Kunis hat in Air Up investiert und soll nun dabei helfen, ab Sommer den riesigen US-Markt zu erobern.
Der Erfolg hat auch mit einem großen Versprechen zu tun: Air Up will eine gesunde und nachhaltige Alternative zu Softdrinks sein, Luft statt Zucker verkaufen und die Welt mit seinem Duftwasser ein bisschen besser machen. Auf der Website steht, Air Up komme “mit entscheidend weniger Plastik und CO2-Emissionen aus”. Auch für Kinder sei der Konsum “bedenkenlos”. Der Start-up-Plattform “Brutkasten” sagte Gründerin Lena Jüngst, Nachhaltigkeit sei für Air Up der “Nordstern, auf den wir jeden Tag zuarbeiten”.

Und stimmt das auch?
Wenn man Lena Jüngst anruft, erreicht man eine zugewandte Frau, die einem Gespräch zunächst zustimmt. Den ausgemachten Termin versäumt sie dann aber und reagiert auch nicht mehr auf Kontaktversuche. Die Pressestelle von Air Up gibt sich pikiert, dass man Jüngst direkt kontaktiert habe – dabei steht ihre Telefonnummer öffentlich einsehbar im Internet. Ein Mitarbeiter einer von Air Up engagierten Kommunikationsagentur rät, in ein paar Monaten noch mal anzufragen, dann sei die Sache sicher vergessen.
Auch die schriftlich eingereichten Fragen zu zentralen Werbeversprechen möchte Air Up zunächst nicht beantworten. Als das Unternehmen es schließlich doch noch tut, wird manches noch verwirrender.

Für das Start-up könnte das noch Konsequenzen haben. Die Bewerbung einer Verpackung als recycelt, die gar nicht recycelt ist, sei “irreführend”, sagt Rechtsanwältin Kerstin Piller von der Kanzlei Hild & Kollegen. Das sei “auch marktrelevant” und stelle “einen Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht” dar. Mitbewerber, Verbraucherschützer und Wettbewerbsverbände könnten auf Unterlassung klagen.
2. Wie klimaschädlich ist Air Up?
Manchmal wirkt Air Up wie ein prall aufgeblasener Ballon, den man schon mit ein paar einfachen Fragen zum Platzen bringen kann. Das Unternehmen verspricht ja nicht nur Plastik zu reduzieren, sondern auch mit entscheidend weniger CO2-Emissionen auszukommen. Das erschließe “sich aus der Tatsache, dass unsere Pods aufgrund ihrer Größe und Beschaffenheit echte Leichtgewichte sind und damit ein immenses logistisches Potenzial aufweisen”, heißt es auf Nachfrage. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Pods in der Türkei und die Flaschen in China produziert werden. Sie müssen also sehr lange Strecken zurücklegen. Hinzu kommt, dass China einen Großteil seines Stroms aus Kohle herstellt, der klimaschädlichsten Energiequelle.
