Infusionsbeutel, Medikamentenverpackungen, OP-Scheren: Kaum eine Branche produziert so viel Müll wie Krankenhäuser. Ärzte berichten, dass er kaum getrennt wird, obwohl die Kliniken dazu eigentlich per Gesetz verpflichtet sind. Was läuft da schief?
Dem Arzt, der sich an uns wendet, ist Nachhaltigkeit wichtig. Rund 80 Prozent des Abfalls, der in seiner Abteilung anfalle, bestehe aus Wertstoffen, aus hochwertigen Kunststoffen, Papier, Pappe oder Glas. Trotzdem lande ein großer Teil davon im Restmüll. So sei es nicht nur in seiner Klinik. „Ich kenne kaum ein Krankenhaus in Deutschland, das tatsächlich Wertstoffe in größerem Maße trennt”, schreibt er.
Auf den ersten Blick scheint das absurd. Während viele von uns zu Hause dreimal überlegen, in welche Tonne etwa ein verschmutzter Pizzakarton gehört, landet in Krankenhäusern fast alles einfach im Restmüll? Für die Umwelt wäre das ein echtes Problem. Krankenhäuser sind in Deutschland der fünftgrößte Abfallproduzent, nur die Baubranche, der Handel, das Gewerbe und der Bergbau machen noch mehr Müll. Zusammengenommen geht es um 4,8 Millionen Tonnen im Jahr. Das entspricht dem Abfall von rund fünf Millionen privaten Haushalten.
Zunächst aber ist es nicht mehr als der Eindruck eines einzelnen Arztes. Beschreibt er wirklich ein deutschlandweites Problem? Und falls ja: Warum handeln Krankenhäuser dann so? Liegt es an strengen und notwendigen Hygienevorschriften? Oder ist die Idee einer Kreislaufwirtschaft im Gesundheitssektor einfach noch nicht angekommen?
Keine Zahlen, kaum jemand redet
Es ist von Anfang an eine zähe Recherche. Fast niemand will offen reden. Alles ist furchtbar kompliziert. Auch deshalb spielt das Thema in der Öffentlichkeit bisher kaum eine Rolle. „Diese unglaublichen Abfallmengen in Krankenhäusern werden einfach so hingenommen”, sagt Thomas Fischer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Er findet es „absolut wahnsinnig, was Krankenhäuser jeden Tag für Ressourcen verschwenden”.
Wie also nähert man sich dem Thema an? Als erstes versuchen wir, verlässliche Zahlen zu bekommen. Wie viel vom Krankenhaus-Müll landet wirklich im Restmüll, wird also nicht recycelt, sondern in der Regel verbrannt? Das Umweltbundesamt teilt uns mit, dass ihm keine „krankenhaus-spezifischen Zahlen” vorliegen, weder zur Mülltrennung noch zur Recyclingquote. Auch das Statistische Bundesamt hat keine Zahlen dazu, ebenso wenig das Bundesumweltministerium. Verlässliche Zahlen, das ist unsere erste Erkenntnis, gibt es nicht.
Anzeige
Mehr fürs Klima tun? Kostet jetzt weniger.
Good news! Wir haben die Preise für unseren echten Ökostrom in vielen Tarifen gesenkt: um 3 Cent pro kWh. Zusätzlich schenken wir dir 50€ als Wechselbonus. Es lohnt sich also. Für dich, fürs Klima und für unabhängigen Journalismus. Denn wir spenden für jeden neuen Vertrag 30€ an Flip.
Das einzige, was es gibt, ist eine Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts. In ihr gaben vor zwei Jahren 89 Prozent der Krankenhäuser an, eine “etablierte Abfalltrennkultur” eingeführt zu haben. Allerdings haben nur 133 Krankenhäuser von 1.900 in Deutschland mitgemacht. Und: Die Angaben wurden nicht überprüft.
Wir wollen uns ein eigenes Bild machen, sprechen mit Ärzt:innen, Pflegekräften und anderen Krankenhausmitarbeitenden. Insgesamt sind es 18 Mitarbeitende aus 13 Krankenhäusern. Was sie erzählen, zeichnet natürlich kein repräsentatives Bild, einen ersten Eindruck aber vermittelt es schon. Grob gesagt decken sich die Schilderungen von 16 der 18 Mitarbeitenden mit dem, was uns der Arzt geschrieben hat: Der Müll werde kaum getrennt. Plastikverpackungen, Infusionsbeutel, Gummihandschuhe – das alles lande zum Großteil im Restmüll.
Dieser Beitrag ist nur für zahlende Mitglieder
Registriere dich jetzt und upgrade dein Konto, um Zugriff auf diesen und alle weiteren Beiträge zu erhalten.