Immer mehr Unternehmen behaupten, klimaneutral oder emissionsfrei wirtschaften zu wollen. Sogar Shell, der größte Öl- und Gaskonzern Europas, will “Netto-Null-Emissionen” erreichen – obwohl es doch sein Kerngeschäft ist, die Umwelt zu verschmutzen. Klingt gaga? Nun ja, kommt auf die Perspektive an.

Flip-Autor Benedikt Scherm hat sich mal in die Lage des Konzerns versetzt. Wie schafft man es auch als Dreckschleuder mit grünen Botschaften zu werben und sich weder von Gerichten noch von Aktivist:innen die Laune verderben zu lassen? Herausgekommen ist eine Art Anleitung zum Greenwashing (aber bitte nicht nachmachen!).

Was ist das Problem?

Shell steht unter Druck. Der Konzern und seine Kund:innen sind nach eigenen Angaben alleine in Deutschland für zehn Prozent der nationalen CO2-Emissionen verantwortlich. Zum Vergleich: Der innerdeutsche Luftverkehr verursacht gerade mal 0,3 Prozent.

Dass es so nicht weitergehen kann, hat auch Shell gemerkt. “Der gesellschaftliche Druck, die Energiewende zu beschleunigen, ist hoch – insbesondere und verständlicherweise bei der jüngeren Generation”, schreibt Fabian Ziegler, der Chef von Shell Deutschland. Gleichzeitig ist Shell ein Mineralölkonzern, sein Kerngeschäft besteht darin, die Umwelt zu verschmutzen. Wie also die Gesellschaft besänftigen, ohne das Kerngeschäft wirklich zu gefährden?

80 Millionen Tonnen CO₂ blasen Shell und seine Kund:innen nach Angaben des Konzerns allein in Deutschland in die Luft. Das sind rund zehn Prozent der deutschen Gesamtemissionen.

Was ist Shells Ansatz?

Kurz gesagt besteht er darin, viel von “Netto-Null-Emissionen” zu reden, eine “Powering Progress Strategie” zu veröffentlichen, unglaublich viele Zahlen zu kommunizieren, dabei den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu erwecken – und eigentlich nicht viel zu verändern. Ach ja, ein prominenter Zitatgeber wie Ex-Formel 1-Fahrer Nico Rosberg hilft natürlich auch:

Aus der Shell-Broschüre: "Auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen"

Aber der Reihe nach. Eine Anleitung zum Greenwashing in fünf Schritten:

1. Ein Ziel definieren, das super klingt (aber noch ganz weit weg ist)
Beginnen wir mit Shells großem Ziel: Netto-Null-Emissionen. Das bedeutet nicht, dass dann keine Schornsteine mehr rauchen und kein Benzin mehr verbrannt werden soll. Es bedeutet nur, dass “unterm Strich” durch Shell nicht mehr CO₂ verursacht werden soll als etwa durch das Pflanzen von Bäumen oder anderen Kompensationsprojekten ausgeglichen wird. Auch auf die umstrittene CCS-Technologie, bei der CO während der Entstehung abgetrennt und in unterirdischen Lagern gespeichert werden soll, will Shell setzen.

Bis wann Shell sein Ziel erreichen will? Nun ja. Bis 2050. Zum Vergleich: Ganz Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein. Auch andere Firmen sind ehrgeiziger. Eine Studie zeigt: Wenn Unternehmen sich ein konkretes Datum setzen, liegt es meist zwischen 2030 und 2040. In 2050 müsste eigentlich die ganz Welt das “Netto-Null-Ziel“ erreicht haben, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen. Shell ist also nicht mal auf dem Papier besonders ambitioniert. Aber egal. Wer merkt das schon? Netto-Null klingt super und 2050 ist doch eine runde Zahl!

Auf der Shell-Website grüßen Windräder zum Sonnenaufgang: "Im Einklang mit der Gesellschaft Netto-Null-CO₂-Emissionen bis 2050". Foto: Screenshot.

2. Der richtige Scope zählt (klingt wissenschaftlich, minimiert Verantwortung)
Okay zugegeben, auch für die nähere Zukunft hat sich Shell ein konkretes Ziel gesetzt. Bis 2030 sollen sich die Emissionen halbieren. Aber Achtung, nur die aus Scope 1 und 2!

Doch was versteht man eigentlich unter Scope?

Scopes sind Kategorien im Treibhausgasprotokoll. Entstanden ist es in den späten 90er-Jahren. Dabei unter anderem mit am Tisch: BP, Monsanto und Shell. Das Protokoll legt fest, in welchen Kategorien die Emissionen erfasst werden: Scope 1, 2 und 3. Während Scope 1 und 2 die Emissionen aus den eigenen Betrieben und den dafür genutzten Energieformen enthalten, werden alle Emissionen, die durch zugelieferte Güter, den Verbrauch der Produkte und die Entsorgung entstehen, in Scope 3 zusammengefasst. Im Fall von Shell heißt das: Die Emissionen, die etwa beim Verbrennen des verkauften Sprits entstehen, fallen in Scope 3.

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