Wer Fleisch isst, fliegt oder die Heizung aufdreht, produziert Emissionen. Angeblich kann man die wieder wettmachen, indem man CO2 kompensiert. Das klingt nach einer genialen Idee: Man zahlt Geld an ein Klimaprojekt, das exakt so viel CO2, wie man ausgestoßen hat, an anderer Stelle wieder einspart. Das System dahinter beruht auf einem Handel mit CO2-Zertifikaten und steht immer wieder in der Kritik.

Eine Recherche der Zeit und des Guardian zeigte etwa, dass etwa 90 Prozent der CO2-Zertifikate des größten Zertifizierers Verra offenbar wertlos sind. Und eine Recherche von Flip und der Wirtschaftswoche deckte auf, wie tief sogar die Vereinten Nationen (UN) in den Handel mit unwirksamen CO2-Zertifikaten verstrickt sind: Ein Großteil der Klimaprojekte mit UN-Siegel helfen dem Klima offenbar nicht. Trotzdem sind Unmengen unwirksamer UN-Zertifikate im Umlauf und werden sogar in einem Online-Shop verkauft, den die UN selbst betreiben.

Laut der Klimaforscherin Barbara Haya von der University of California, Berkeley, ist das Problem sogar noch größer: Der weltweite Markt sei überschwemmt von schlechten CO2-Zertifikaten. “Auf dem heutigen Markt ist es sehr schwierig, wirklich gute Zertifikate zu finden”, sagt Haya.

85 Prozent aller UN-Projekte helfen laut einer Studie des Öko-Instituts im Auftrag der EU dem Klima nicht so, wie sie es vorgeben

Aber wie kann ich CO2 dann überhaupt sinnvoll kompensieren?

Das haben wir Lambert Schneider gefragt. Der Wissenschaftler forscht am Öko-Institut in Berlin seit vielen Jahren zu CO2-Kompensation und ist in Deutschland einer der renommiertesten Experten in diesem Themengebiet. Die perfekte Lösung hat Schneider leider auch nicht, aber fünf Tipps, die euch dabei helfen, möglichst wirkungsvoll CO2 auszugleichen:

Tipp 1: Reduzieren vor kompensieren

“Emissionen vermeiden ist immer besser.” So lautet Lambert Schneiders Standard-Antwort auf die Frage, was es denn beim CO2-Ausgleich zu beachten gelte. Bevor man also seine Emissionen kompensiert, sollte man zunächst darüber nachdenken, ob man schon alles getan hat, um seinen CO2-Ausstoß zu vermindern. Weniger Autofahren, Fleischessen oder Fliegen hilft dem Klima deutlich mehr, als Geld an ein Klimaprojekt zu zahlen. “Einen Flug zu kompensieren ist eben nicht dasselbe wie mit dem Zug zu fahren”, sagt Schneider.

Tipp 2: Nenn es nicht Ausgleich

Das Problem fängt schon beim Namen an. “Man sollte von dieser Idee des Ausgleichs wegkommen”, sagt Lambert Schneider. Da so viele CO2-Zertifikate unwirksam sind, ist es wahrscheinlich, dass man seinen CO2-Ausstoß nur teilweise ausgleicht, wenn man sie kauft. Schneider sagt nun: “Ein Teil des Problems ist schon gelöst, wenn man es als Spende ansieht.” Er kaufe zum Beispiel CO2-Zertifikate von Klimaprojekten, die Kochöfen in armen Ländern verteilen. So soll weniger über offenem Feuer gekocht werden, wobei CO2 freigesetzt wird. Er sehe das aber nicht als Ausgleich seiner CO2-Emissionen, sondern einfach als Spende an eine gute Sache.

Lambert Schneider forscht am Öko-Institut in Berlin seit vielen Jahren zu CO2-Kompensation. Foto: Öko-Institut

Tipp 3: Such dir eine Organisation, der du vertraust

Für viele Projektbetreiber:innen sind die Klimaprojekte vor allem: ein gutes Geschäft. Schneider rät deshalb dazu, CO2-Zertifikate nur bei Organisationen zu kaufen, die man vielleicht ohnehin gerne unterstützen möchte. Wenn sich dann herausstelle, dass ein Projekt vielleicht dem Klima nicht ganz so hilft wie gedacht: “Dann habe ich zwar meine Emissionen nicht ausgeglichen, aber zumindest eine gute Organisation unterstützt”, sagt Schneider.

Tipp 4: Informiere dich gut

Es sei leider nicht so einfach, generelle Aussagen darüber zu treffen, welche Projekte gut und welche schlecht sind, sagt Schneider. Man könne also zum Beispiel nicht sagen: Alle Kochöfen-Projekte sind gut, Staudamm-Projekte sind immer schlecht. Ein paar Hinweise darauf, ob ein Projekt dem Klima wahrscheinlich hilft oder eher nicht, gibt es aber. Zusammen mit dem WWF und dem Environmental Defense Fund haben Schneider und das Öko-Institut deshalb eine Plattform ins Leben gerufen, die einzelne Arten von Projekten bewertet. Wer herausfinden will, wie sinnvoll die Expert:innen die Projekte finden, kann dort in eine Suchmaske etwa eingeben, wie alt das Projekt ist und welches Siegel es trägt. Eine Warnung: Es ist relativ kompliziert. Die Plattform sei zunächst auf Unternehmen ausgelegt, sagt Schneider. Künftig wolle man sie aber auch für Laien verständlich machen.

Auf der Plattform "Carbon Credit Quality Initiative" bewerten Expert:innen, wie sinnvoll Klimaprojekte sind. Screenshot: Website Carbon Credit Quality Initiative

Tipp 5: Kauf Emissionsrechte auf

Selbst mit allen Tipps: Gute Klimaprojekte zu finden, ist nicht einfach. Es ist wahrscheinlich, dass man daneben greift, einfach, weil es so viele schlechte CO2-Zertifikate gibt. Wer auf Nummer sicher gehen will, für den hat Schneider noch einen letzten Tipp: Statt CO2-Zertifikate könnte man auch CO2-Emissionsrechte kaufen. Im europäischen Emissionshandel wird begrenzt, wieviel CO2 Unternehmen ausstoßen dürfen. Wollen sie mehr ausstoßen, müssen sie die Rechte dafür kaufen. Aus dem großem Topf mit CO2-Rechten kann man aber auch selbst solche Rechte kaufen. Für jedes Recht, das du kaufst, ist also eins weniger für Unternehmen verfügbar. Das heißt: Es wird weniger CO2 ausgestoßen.

Anders als bei der Kompensation steht dahinter kein Klimaprojekt, das CO2 einspart. Man unterstützt also kein Projekt, das dem Klima hilft, sondern zahlt dafür, dass den Unternehmen weniger Rechte zur Verfügung stehen. Aber: “Im Gegensatz zur Unterstützung von Klima-Projekten kann man sich sicher sein, dass wirklich weniger CO2 ausgestoßen wird”, sagt Schneider. Anbieter, bei denen man solche CO2-Rechte kaufen kann, sind zum Beispiel die niederländische Organisation Carbonkiller oder die Organisation Compensators.

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