Was ist das Problem?

Wer im vergangenen Jahr die Sneakerjagd verfolgt hat, kennt das Problem: Die Modeindustrie verursacht mehr als zehn Prozent der weltweiten Co2-Emissionen, so viel wie internationale Luft- und Schifffahrt zusammen. Ganz zu schweigen vom Ressourcenverbrauch und dem Müll, der dabei entsteht. Sneaker stehen wie kaum ein anderes Kleidungsstück für die Fast-Fashion-Gesellschaft. Viele Hersteller und Händler werben zwar mit Recycling-Versprechen. Doch nicht zuletzt unsere Recherchen zusammen mit der ZEIT und dem NDR haben gezeigt, dass die Recycling-Ansätze in der Branche nicht wirklich funktionieren. Der Sportartikel-Hersteller Nike nutzt seine Recyclinganlage etwa auch, um dort Retouren und andere neuwertige Schuhe zu vernichten.

380 Millionen Paar Schuhe werden allein in Deutschland jedes Jahr entsorgt

Was ist der Ansatz von Sneaker Rescue?

Das Berliner Unternehmen will Sneaker vor der Tonne retten. Das Start-up des Gründers Hagen Matuszak ist eines der ersten, das sich auf die Reparatur von Sneakern spezialisiert hat. Matuszak hat einen aussterbenden Beruf gelernt: Er ist einer von nur schätzungsweise 600 Schuster:innen in Deutschland. Sneaker Rescue gründete er 2018, da war er gerade 22. Als Orthopädieschuhmacher fertigte er Schuhe für Menschen mit Fußfehlstellung, Hüftproblemen oder Kniebeschwerden. Dabei, das bringt der Job nunmal mit sich, schaute er den Menschen ständig auf die Schuhe. Und er sah: Sneaker. Überall Sneaker, viele davon dreckig und kaputt. Alles begann also mit einer Marktlücke, die Matuszak entdeckte:

»Bei all den Sneakern gab es scheinbar niemanden, der sie reparierte. Ich dachte: Wer, wenn nicht ich, sollte das machen?« Hagen Matuszak, Sneaker Rescue

Seine erste Werkstatt baute er in seinem WG-Zimmer in Berlin-Pankow auf, mit den alten Maschinen seines Vaters, ebenfalls ein Schuhmacher. Bis heute arbeiten Matuszak und sein Team mit der alten Nähmaschine, die per Handkurbel angetrieben wird, und einer Schleifmaschine, die noch älter ist. Nur stehen die Maschinen heute nicht mehr im WG-Zimmer, sondern in einer kleinen Werkstatt in Berlin-Neukölln. Denn Matuszaks Idee ist eingeschlagen und schnell gewachsen. 2019 sorgte ein Fernsehbeitrag über sein Startup dafür, dass schnell Tausende kaputte Sneaker bei ihm eingingen. Mittlerweile reparieren er und seine vier Mitarbeiter:innen 500 Paar Schuhe im Monat.

Hagen Matuszak gründete Sneaker Rescue, da war er gerade 22. Foto: Carmen Maiwald

Und wie funktioniert das mit der Reparatur?

Flip-Autorin Carmen Maiwald hat darüber mit Sneaker-Rescue-Gründer Hagen Matuszak gesprochen.

Wer seine Sneaker von Matuszak und seinem Team reparieren lassen will, muss die Schuhe fotografieren und die Bilder per WhatsApp oder per Mail an Sneaker Rescue schicken. Anhand der Fotos beurteilt das Team, wie teuer die Reparatur sein wird und schickt einen Kostenvoranschlag. Wer mit dem Preis einverstanden ist, sendet seine Schuhe per Post in die Werkstatt und erhält, so verspricht es Sneaker Rescue, die reparierten Schuhe innerhalb von sieben bis zehn Tagen zurück. Für die reparierten Schuhe gewährt Sneaker Rescue eine Garantie von bis zu sechs Monaten. Das Ganze kostet im Schnitt um die 55 Euro. Am Ende kann eine komplette Grundüberholung also auch so teuer sein wie ein neuer Schuh. Das hängt auch damit zusammen, dass die Reparatur von Sneakern gar nicht so einfach ist:

»Was so schwer daran ist, Sneaker zu reparieren? Es ist alles komplett beschissen.« Hagen Matuszak, Sneaker Rescue

Das Problem ist: In Sneakern werden sehr viele Materialien verbaut, im Schnitt sicher 50, schätzt Matuszak. Die seien oft miteinander verklebt statt genäht, sodass die einzelnen Bestandteile der Sneaker für eine Reparatur nur schwer voneinander zu trennen sind. Damit sei eigentlich das Design das größte Problem, erklärt Matuszak. Denn die Designer:innen hätten keine Ahnung von Reparatur und würden Schuhe entwerfen, die zwar schön aussehen, aber kaum mehr von Hand zu reparieren seien. Außerdem muss Matuszak bei den Ersatzteilen wie Sohlen oder beim Innenfutter der Schuhe kreativ werden, denn die Schuhproduktionsfirmen rücken keine Originalmaterialien heraus. Sie haben offenbar kein Interesse daran, dass ihre Schuhe repariert werden.

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