Die Bundesregierung hat beschlossen, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschwächen. Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, das Unternehmen aus Dokumentationspflichten befreien soll. Kritiker:innen warnen vor einer Entkernung auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten. Das deutsche Lieferkettengesetz soll in dieser abgespeckten Form gelten, bis die EU-weite Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) 2027 in nationales Recht umgesetzt ist. Aber auch diese droht in den kommenden Monaten deutlich abgeschwächt zu werden.

➡️ Für alle, die es genauer wissen wollen:

  • Worum geht's? Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, gilt seit Anfang 2023. Es soll sicherstellen, dass bei Produkten, die im Ausland für den deutschen Markt hergestellt werden, Arbeits- und Umweltstandards eingehalten werden, etwa: Schutz vor Kinderarbeit, Recht auf faire Löhne und Schutz der Umwelt. Aktuell müssen Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten regelmäßig dokumentieren, dass sie die Sorgfaltspflichten einhalten. Der vom Bundeskabinett am Mittwoch angenommene Gesetzentwurf soll diese Berichtspflicht allerdings abschaffen. Ziel sei es, Unternehmen von Bürokratie zu entlasten. Die Sorgfaltspflichten selbst sollen zwar weiter gelten, aber nur schwere Verstöße sanktioniert werden. Nach dem Kabinettsbeschluss wird der Entwurf nun im Bundestag beraten und anschließend dem Bundesrat vorgelegt.
  • So sind die Reaktionen darauf: Das Arbeitsministerium rechnet dadurch mit einer jährlichen finanziellen Entlastung der Wirtschaft von 4,1 Millionen Euro. Kritik kommt aus mehreren Richtungen: Wirtschaftsverbände wie die Arbeitgeber-Vereinigung BDA kritisieren, die Änderungen gingen nicht weit genug. Die Grünen werfen der schwarz-roten Koalition vor, die bisherigen Lieferketten-Regeln zu verwässern. Die Initiative Lieferkettengesetz, bestehend aus 90 Mitgliederorganisationen wie Greenpeace und Oxfam, warnt in einem Statement vor einem „fatalen Rückschritt auf Kosten von Menschenrechten und Umwelt“.
  • Was heißt das langfristig? Parallel zum deutschen Lieferkettengesetz gibt es die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten in die Pflicht nehmen soll. Auf massiven Druck aus der Wirtschaft haben die EU-Gesetzgeber die Vorschriften aber um ein Jahr verschoben. Bis Juli 2027 müssen die Mitgliedsstaaten die CSDDD in nationales Recht umsetzen, bis dahin soll das abgeschwächte deutsche Lieferkettengesetz noch gelten. Die ersten Regeln des EU-Lieferkettengesetzes sollen dann ab dem 26. Juli 2028 in Kraft treten. Aber auch dieses Gesetz könnte in den nächsten Monaten noch entkernt werden: So hat die EU-Kommission unter anderem vorgeschlagen, dass Standards künftig nur noch bei direkten Zulieferern überprüft werden müssen und Nachweise nicht mehr jährlich, sondern alle fünf Jahre fällig sein sollen.

Quellen: Handelsblatt/dpa, BR, Tagesschau, ZDF, BMAS, BMAS, Bundesregierung, BMAS, Initiative Lieferkettengesetz, EU-Kommission, IHK

Wenn du noch tiefer einsteigen willst: Die Arte-Doku "Der Kompromiss – In den Korridoren der Macht" aus dem Jahr 2024 begleitet drei Europaabgeordnete bei ihrem politischen Kampf um die europäische Richtlinie zur Einführung einer Sorgfaltspflicht für Unternehmen. 📺

Teile diesen Beitrag