Ein peruanischer Landwirt wollte den deutschen Energiekonzern RWE verpflichten, sich an der Klimaanpassung seines Hofes zu beteiligen. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage zwar ab – erkannte aber erstmals grundsätzlich an, dass große Treibhausgas-Emittenten für Folgen des Klimawandels in anderen Staaten haftbar gemacht werden können. Umweltorganisationen wie Germanwatch sehen dies als Meilenstein im Klimarecht an.
➡️ Für alle, die es genauer wissen wollen:
- Worum genau geht's? Ein peruanischer Landwirt sieht seinen Hof in den Anden durch einen abschmelzenden Gletscher bedroht. Da der deutsche Energieriese RWE zu den größten CO₂-Verursachern weltweit gehört, wollte er, dass der Konzern anteilig für Schutzmaßnahmen zahlt. Unterstützt wurde der Kläger Saúl Luciano Lliuya dabei von der Umweltorganisation Germanwatch. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage diese Woche aber nach einem jahrelangen Prozess ab: Das Risiko von Schäden durch eine Gletscherflut sei nicht ausreichend hoch.
- Warum der Fall trotzdem was bewirkt hat: Auch wenn die Klage abgewiesen wurde, ist das Urteil auch ein Erfolg für Klimaschützer:innen. Zum ersten Mal hat ein deutsches Gericht grundsätzlich anerkannt, dass große Emittenten wie RWE für die Klimawandel-Folgen haftbar gemacht werden können – unabhängig davon, dass der Schaden weit entfernt entsteht. Das Urteil öffnet damit die Tür für weitere Klagen über die Haftbarkeit von Unternehmen, die viel CO₂ ausstoßen. Bisher wurden Unternehmen und Regierungen vor allem gerichtlich verpflichtet, Klimaziele aufzustellen oder zu verschärfen. Rückenwind erhalten solche Verfahren dazu durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse: So zeigt eine 2025 veröffentlichte Studie, dass große fossile Unternehmen seit 1990 für Schäden von rund 28 Billionen US-Dollar durch extreme Hitze verantwortlich sind – und liefert eine wissenschaftliche Grundlage für ihre Haftbarkeit.
- Was Klimaklagen insgesamt bringen: Die Zahl der globalen Klimaklagen gegen Regierungen und Unternehmen hat sich nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen von 2017 bis 2022 mehr als verdoppelt – mit 2180 Fällen im Jahr 2022. Dabei verfolgen die Klagen bisher zwei Ziele: strengere Klimaschutzgesetze oder Einhaltung bestehender Regelungen. Einige Klagen erstritten bereits spektakuläre Urteile, so verpflichtete das höchste Zivilgericht der Niederlande die Regierung 2019 zu drastischen Emissionssenkungen. 2024 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einer Gruppe älterer Schweizerinnen recht, die ihre Regierung wegen unzureichenden Klimaschutzes verklagt hatten, mehr dazu auf unserem Instagram-Kanal. In Deutschland gewann die Deutsche Umwelthilfe 2024 zwei Klagen, sodass die Bundesregierung ihre Klimaschutzprogramme bis 2030 um konkrete Maßnahmen ergänzen muss. Und: obwohl viele Klagen vor Gericht scheitern, tragen sie trotzdem dazu bei, politischen Druck aufzubauen, schreiben Forschende im Fachjournal nature.
Quellen: Zeit, Spiegel (€) Tagesschau, Deutschlandfunk, Legal Tribune Online, Stern, MDR, Klimareporter, MDR, Euronews, nature (€), UNEP, nature (€)
Wenn du noch tiefer einsteigen willst: In der Podcast-Episode „Mit Klimaklagen unsere Zukunft retten?“ erklären zwei Expertinnen von Germanwatch, wie Klimaklagen funktionieren und warum sie für den Klimaschutz wichtig sind. In der Seminarreihe „Mit Recht das Klima retten?“ geht's außerdem tiefer rein in rechtliche Strategien. 🎧