Shein, Temu und andere Billig-Onlinehändler müssen bald Zollabgaben auf ihre Lieferungen in die EU zahlen. Bei einem Treffen in Brüssel haben Bundesfinanzminister Klingbeil und die anderen EU-Finanzminister vergangene Woche beschlossen, die derzeitige Freigrenze von 150 Euro abzuschaffen. Das soll Wettbewerbsverzerrung gegenüber europäischen Unternehmen verhindern – und die Einfuhr von billigen, oft nicht EU-konformen Produkten eindämmen.
➡️ Für alle, die es genauer wissen wollen:
- Was ist das Problem? Billigwaren fluten den europäischen Markt: Jeden Tag treffen rund 12 Millionen Pakete von Online-Versandhändlern mit geringem Wert (unter 150 Euro) in Europa ein. Der Großteil davon kommt aus China, besonders beliebt: die Shoppingportale Shein und Temu. In einer Analyse des Handelsverband Deutschland (HDE) heißt es, dass die beiden Anbieter etwa 400.000 Pakete allein an deutsche Kund:innen schicken – und zwar täglich. Diese per Flugzeug transportierten Billigprodukte belasten nicht nur die Umwelt, sie sind teilweise sogar gefährlich für Verbraucher:innen. Gegenüber MDR Aktuell heißt es von der Bundesnetzagentur, dass etwa 62 Prozent der Temu-Produkte nicht EU-konform seien. Auch die Stiftung Warentest kam Ende Oktober zu ähnlichen Ergebnissen: Von 162 getesteten Produkten von Temu und Shein erfüllten mehr als zwei Drittel nicht die EU-Sicherheitsanforderungen, ein Viertel wurde sogar als potenziell gefährlich eingestuft.
- Wie will man dagegen vorgehen? Bisher sind Pakete aus Drittstaaten unter 150 Euro von Einfuhrzöllen befreit – ein Vorteil, der den chinesische Billig-Plattformen zugute kommt. Die EU plant, diese Ausnahme abzuschaffen und bereits ab einem Warenwert von einem Euro Zölle zu erheben. Ursprünglich sollte die Reform erst 2028 in Kraft treten, doch die EU-Finanzminister einigten sich nun darauf, Zölle auf Billigpakete „so bald wie möglich im Jahr 2026“ einzuführen. Parallel prüfen Behörden mögliche Wettbewerbsverstöße: Das Bundeskartellamt leitete Anfang Oktober ein Verfahren gegen Temu ein, unter anderem wegen möglicher Einflussnahme und Preisfestlegungen auf dem deutschen Marktplatz. Zu möglichen großangelegten Kontrollaktionen, wie es etwa in Frankreich der Fall war, hatte sich die Bundesregierung dagegen bisher nicht geäußert.
- Was können die neuen Abgaben bringen? Die Freigrenze von 150 Euro abzuschaffen soll die Wettbewerbsverzerrungen bekämpfen – und darüber hinaus Betrug verhindern: Denn Schätzungen der EU-Kommission zufolge werde bei rund 65 Prozent der Pakete absichtlich ein zu niedriger Wert angegeben, um von der Zollbefreiung zu profitieren. Die bisherige Freigrenze soll außerdem dafür gesorgt haben, dass größere Bestellungen in viele kleine Pakete aufgeteilt wurden. Das produziert jede Menge unnötigen Verpackungsmüll. Die USA hatten es Ende August eine ähnliche Änderung für Zollausnahmen im Wert von unter 800 Dollar eingeführt. Für solche Pakete gilt nun der gleiche Zollsatz wie für andere Produkte – was laut Medienberichten zu einem starken Rückgang des Postverkehrs insgesamt geführt habe.
Quellen: Tagesschau, EU-Kommission, Handelsverband Deutschland, MDR, Stiftung Warentest, Zoll, Bundeskartellamt, Tagesschau, EU-Kommission, Chip, N-TV, AP News
Wenn du tiefer einsteigen willst: Die beiden Flip-Gründer Christian und Felix sind bereits 2019 den Spuren der oft gefährlichen Online-Kleinpakete aus China gefolgt und zwar am Beispiel eines gefälschten und giftigen Fjällräven-Rucksacks. In einer aufwendigen Undercover-Recherche in China konnten sie zeigen, wie leicht es Online-Händler haben, Gesetze zu umgehen, und wie schwer es für den Zoll ist, sich gegen die Paketflut zu stemmen. Ihre immer noch aktuelle Spurensuche gibt es als Film bei Strg_F und als ZEIT-Artikel.