Monatelang haben die EU-Staaten um ein neues Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 gerungen. Kurz vor Beginn der COP30 im brasilianischen Belém am 10. November konnten sich die Umweltminister:innen doch noch einigen – allerdings bauten sie die Hintertür ein, einen Teil der Emissionen über Zertifikate aus Nicht-EU-Ländern auszugleichen. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Weltklimakonferenz wird neben der Umsetzung nationaler Klimaschutzpläne auch die Frage sein, wie und von wem Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden sollen.

➡️ Für alle, die es genauer wissen wollen:

  • Worauf hat sich die EU geeinigt? Bis in die frühen Morgenstunden wurde am Mittwoch in Brüssel verhandelt, dann gab es endlich eine Einigung – allerdings mit abgeschwächten Klimazielen. Die Umweltminister:innen verständigten sich darauf, am 90-Prozent-Reduktionsziel für 2040 zwar festzuhalten, allerdings auch eine Hintertür zu öffnen: Fünf Prozentpunkte dürfen über Klimazertifikate aus Drittstaaten ausgeglichen werden. Real müssten die Länder also nur noch 85 Prozent selbst einsparen. Zudem soll der Einstieg in den Emissionshandel für Verkehr und Heizen (ETS2) um ein Jahr verschoben werden. Die dafür nötigen Brennstoffe sollen nun erst ab 2028 in das Handelssystem mit Treibhausgas-Zertifikaten einbezogen werden. Jetzt muss noch das Europäische Parlament zustimmen.
  • Was sind das für Klimazertifikate aus Drittstaaten? Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch Treibhausgas-Minderungen auf eigenem Boden erreichen. Stattdessen soll nun ein Teil der Emissionen mit neuen Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern verrechnet werden können. Konkret bedeutet das: Länder können Gutschriften für Projekte kaufen, die Treibhausgas einsparen oder CO₂ aus der Atmosphäre entfernen – etwa durch Aufforstungsprojekte oder Technologien zur Kohlenstoffbindung – und auf ihre eigenen Reduktionen anrechnen. Ursprünglich wollte die EU-Kommission diesen “Ablasshandel” stärker begrenzen: auf maximal drei Prozentpunkte und erst ab 2036. Länder wie Polen, Italien und Frankreich drängten jedoch auf mehr Flexibilität, um ihre Industrien zu entlasten. Expert:innen warnen, dass der Kauf von Zertifikaten aus dem Ausland Investitionen abziehen würde, die eigentlich in den Umbau der europäischen Industrie fließen sollten. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Länder im Globalen Süden ihre eigenen Klimaziele absichtlich niedrig ansetzen, um Geld für Zertifikate zu bekommen – oder dass die eingesparten Emissionen doppelt angerechnet werden.
  • Was steht in Belém auf dem Spiel? Diese Woche warnten die Vereinten Nationen, dass wir aktuell auf eine Erderwärmung von 2,8 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zusteuern. Es muss also dringend nachgebessert werden. Die Konferenz findet allerdings unter schwierigen globalen Bedingungen statt. Weltweit wächst der Widerstand gegen wirksamen Klimaschutz. Mit der Last-Minute-Einigung hat die EU nun immerhin verhindert, ohne eigenes Klimaziel nach Brasilien zu reisen. Bisher hat allerdings nur ein Drittel der Länder, die sich 2015 auf das Pariser Abkommen verpflichtet haben, ihre Pläne vorgelegt. Und die USA, die unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen sind, schicken nicht einmal ranghohe Vertreter:innen nach Belém. Neben den nationalen Klimaschutzplänen steht auf der Agenda, wie Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden sollen, vor allem über die „Baku to Belém Roadmap“ zur Deckung des Finanzbedarfs des Globalen Südens. Weitere Schwerpunkte sind die Anpassung an die Klimakrise und der Schutz von Wäldern, etwa durch den geplanten „Tropical Forest Forever Fund“.

Quellen: EU-Kommission, Süddeutsche Zeitung, Deutschlandfunk, Klimareporter, World Resources Institute, Tagesschau, Heinrich-Böll-Stiftung, Germanwatch, Tagesschau

Wenn du tiefer einsteigen willst: Das EU-Parlament hat in einer Zeitleiste die wichtigsten Meilensteine aus der Geschichte der Klimaverhandlungen gesammelt. Bei Germanwatch gibt es außerdem Analysen und Hintergrundberichte zu allen COPs. Und das Handelsblatt analysiert in einem Schwerpunkt, warum Europa mit seinem Klimaschutz zunehmend allein dasteht (€).

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