Wir bei Flip wollen Greenwashing entlarven und zeigen, was wirklich hilft. Aber was ist das eigentlich, Greenwashing? Diese Frage eindeutig zu beantworten ist gar nicht so einfach, denn eine einheitliche Definition, was genau Greenwashing ist und wo es anfängt, gibt es nicht.
Was klar nicht geht: Wenn Marken Verbraucher:innen zum Kauf bewegen wollen, indem sie vorgeben, super nachhaltig zu sein, obwohl das gar nicht stimmt. Deswegen schauen wir uns bei Flip immer an, was Marken nach Außen kommunizieren und was sie tatsächlich tun und belegen können. Wir messen sie also an ihren eigenen Versprechen.
Das sagt die Wissenschaft
Lange Zeit gab es auch in der Wissenschaft keine einheitliche Antwort darauf, was hinter dem Begriff Greenwashing steckt. Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe hat sich deswegen zusammengetan und den aktuellen Wissensstand dokumentiert. Die Forscher:innen werteten dafür die akademische Literatur zum Thema aus, stützten sich auf die geltende Regulierung in den USA, Großbritannien und der EU und screenten, was Kommunikationsberatungen unter dem Begriff verstehen. Die dabei entstandene, wissenschaftlich gestützte Definition von Greenwashing dient uns bei Flip als Basis unserer Arbeit:
„Greenwashing ist ein Oberbegriff für verschiedene irreführende Kommunikationen und Praktiken, die absichtlich oder unbeabsichtigt falsche positive Wahrnehmungen der Umweltleistung einer Organisation erzeugen. Es kann von Unternehmen, Regierungen, Politikern, Forschungseinrichtungen, internationalen Organisationen, Banken und auch NGOs durchgeführt werden und reicht von leichter Übertreibung bis hin zu kompletter Erfindung, so dass es verschiedene Formen von Greenwashing gibt.“
Zudem haben die Forscher:innen einen Leitfaden entwickelt, der dabei helfen soll, Greenwashing zu bewerten – das sogenannte „Greenwashing Framework“. Bei unseren Recherchen hilft uns dieses Framework einzuschätzen, ob eine Marke es mit ihren Nachhaltigkeitsversprechen wirklich ernst meint oder ob sie den Verbraucher:innen nur grüne Märchen verkaufen will.
Die zehn Greenwashing-Indikatoren
Abgeleitet aus dem Framework ergeben sich zehn Indikatoren, die darauf hinweisen, dass ein Unternehmen bzw. eine Marke – absichtlich oder unabsichtlich – Greenwashing betreibt.
1. Unklarheit
Viele Marken verwenden Begriffe wie „grün“ oder „umweltfreundlich“, um die Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Produkte herauszustellen. Einerseits sind dabei schon die Begriffe an sich problematisch, weil es auch hier keine einheitliche Definition gibt. Sie können quasi alles oder nichts bedeuten – und die Verbaucher:innen ganz schön in die Irre führen. Auf der anderen Seite muss immer klar gemacht werden, worauf sich die Aussage überhaupt bezieht: die Unternehmensaktivitäten, das Produkt, die Verpackung?
2. Keine Beweise
Wenn Belege und unterstützende Informationen zu einer Aussage schwer oder gar nicht zu finden sind, ist das problematisch. Die Aussagen und Werbebotschaften einer Marke sollten immer auf verlässlichen, unabhängigen, leicht überprüfbaren und stichhaltigen Quellen beruhen.
3. Leere Behauptungen
Viel behaupten kann jede:r. Aber was steckt hinter den ganzen Nachhaltigkeitsversprechen? Müssen wir diese Frage mit „eigentlich nichts“ beantworten, dann ist das ein klarer Indikator für Greenwashing. Wenn ein Unternehmen beispielsweise damit wirbt, klimaneutral zu sein oder werden zu wollen, also einen Emissionsausstoß von Netto-Null zu haben, sollte es das auch überprüfbar umsetzen, also Emissionsziele festlegen, Zwischenziele veröffentlichen und konkrete Maßnahmen treffen, bei denen es sich nicht nur auf Kompensationsprojekte am anderen Ende der Welt verlässt. Mehr Infos zur CO2-Kompensation gibt es hier.
4. Irrelevanz und Lügen
Eine Marke wirbt damit, dass ihre Produkte „FCKW-frei“ sind – toll, aber der Einsatz von FCWK ist sowieso seit den 90er Jahren verboten. Verbraucher:innen vorzumachen, dass es sich um ein freiwilliges Engagement handelt, obwohl dieses gesetzlich vorgeschrieben ist, geht gar nicht. Noch dreister sind dann nur noch klare Lügen und Falschinformationen – das geht noch weniger!
5. Dubiose Zertifizierungen, Labels und Siegel
„Ausgezeichnet mit unserem Unternehmenssiegel für Nachhaltigkeit“ – super, und wer kontrolliert das? Ihr selbst? Es gibt dutzende freiwillige Siegel und Labels. Deswegen sollten Marken immer darauf achten, nur Zertifizierungen zu verwenden, die von einer unabhängigen Stelle überprüft wurden und transparent angewendet und kontrolliert werden, wie beispielsweise das GOTS-Siegel oder der blaue Engel Wichtig ist zudem, klar zu definieren, auf was sich das Siegel bezieht: Geht es z.B. um die verwendete Baumwolle, das Verpackungsmaterial oder die Produktionsstätte?
6. Fachjargon
„Für unsere Sneaker verwenden wir umweltfreundliche organische Textilfasern, die durch innovative enzymatische Abbautechnologie gewonnen werden.“ Wie bitte? Ja, fragen wir uns auch. Wer mit solchen hochtrabenden Formulierungen wirbt, die für Verbraucher:innen schwer zu verstehen sind, hat möglicherweise etwas zu vertuschen. Besser: Leichte Sprache und auf Fachausdrücke ohne Erklärungen verzichten.
7. Widersprüchliche Unternehmenspraktiken
Stell dir vor, eine Marke wirbt damit, besonders nachhaltige Baumwolle für ihre Jeans zu verwenden, um sie dann mit umweltschädlichen Chemikalien zu behandeln. Oder eine Umweltorganisation verschenkt jedes Jahr 50 Kreuzfahrten an ihre Mitarbeitenden – das passt nicht zusammen.
8. Selektive Angaben
Um Greenwashing zu vermeiden, ist es wichtig, die Umweltauswirkungen über den ganzen Lebenszyklus der Produkte zu thematisieren – auch die Dinge, die vielleicht noch nicht so gut laufen. Transparenz schafft Vertrauen. Probleme und Grenzen der eigenen sozialen und ökologischen Leistungen sollten ehrlich kommuniziert werden. Wer mit „besser“ oder „grüner als die Konkurrenz“ wirbt, muss immer klar machen, womit er diesen Vergleich begründet.
9. Irreführende Bilder und Symbole
Glückliche Kühe auf der grünen Wiese oder Autos mit Blumenwolken statt Abgasen: Manche Marken versuchen sich über die visuelle Gestaltung ihrer Website, Produktverpackungen oder Werbeanzeigen grüner darzustellen, als sie eigentlich sind. Wer idyllische Bilder oder grüne Symbole verwendet, sollte realistisch bleiben und nicht übertreiben.
10. Schlechte politische Einflussnahme
Eine Marke brüstet sich mit ihrem grünen Engagement und versucht gleichzeitig (neue) Umweltgesetze zu blockieren oder möchte diese abschwächen? Nachhaltigkeit und Lobbyarbeit gegen die Umwelt passen nicht zusammen. Wer als Marke wirklich etwas für das Wohl unseres Planeten tun möchte, sollte auch Thinktanks, Handelsverbänden oder anderen Gruppen fernbleiben, die Desinformationen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz verbreiten.
Das Problem mit den grünen Märchen
Nachhaltigkeit ist attraktiv und ein hervorragendes Verkaufsargument. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter den grünen Behauptungen? Eine Untersuchung der EU-Kommission aus dem Jahr 2021 hat ergeben, dass 42% der Umweltaussagen auf den Unternehmenswebsites unwahr oder irreführend sind. Eine Spielart des Greenwashing ist dabei besonders verbreitet, die mit den unglaubwürdigen Siegeln und Zertifikaten: So hat eine wissenschaftliche Untersuchung kürzlich ergeben, dass gerade einmal 14% der als nachhaltig deklarierten Modeartikel bei Otto und Zalando auch wirklich glaubwürdig zertifiziert sind..
Das sind erschreckende Zahlen Greenwashing untergräbt aber nicht nur das Vertrauen potenzieller Käufer:innen, sondern bringt auch Probleme für diejenigen, die es ernst meinen: Unternehmen, die tatsächlich nachhaltig handeln, haben oft einen Wettbewerbsnachteil gegenüber jenen, die lediglich behaupten, nachhaltig zu sein. Eine nachhaltigere Produktion ist meist mit höheren Kosten verbunden und auch andere umweltfreundliche Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Reparaturservice, ist für die Anbietenden in der Regel nicht direkt profitabel.
Ein weiteres Problem ist, dass Greenwashing wahre Bemühungen, die Umwelt zu verbessern, behindert oder zumindest erschwert. Wenn andere Unternehmen ihr nachhaltiges Engagement vortäuschen, wird es für echte umweltfreundliche Innovationen und Praktiken schwieriger, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Wer echten Wandel anstrebt, steht leider einer Vielzahl an Fakes gegenüber, die die Glaubwürdigkeit der gesamten Nachhaltigkeitsbewegung untergraben.
Unser Beitrag zur Lösung
Wir glauben fest daran, dass es neben all dem Greenwashing auch viele engagierte Menschen und Marken gibt, die tatsächlich etwas bewirken möchten. Es ist nicht immer einfach, zwischen Greenwashing und ehrlichen Bemühungen für Nachhaltigkeit zu unterscheiden. Deswegen sammeln wir Informationen, fragen kritisch nach und überprüfen angebliche Fakten. Mit unseren Recherchen wollen wir dazu beitragen, Greenwashing aufzudecken und dich als Verbraucher:in bestmöglich zu informieren. Wir wollen also einerseits Unternehmen entlarven, die Bullshit erzählen. Aber wir wollen andererseits auch denjenigen Marken eine Bühne bieten, die glaubwürdig eine nachhaltige Mission verfolgen.