Trophäenjäger aus aller Welt kommen nach Rumänien, um dort die größten Bären Europas zu töten. Dabei ist die Trophäenjagd in der EU eigentlich verboten. Wie kann das sein? Eine Undercover-Recherche.
Im September vergangenen Jahres nimmt ein beleibter, mittelalter Mann namens Ron Taylor* am Flughafen Chicago in einer Lufthansa-Maschine Platz. Seine Sorge, ob der Sitz in der Premium Economy gemütlich genug ist, weicht schnell einer Mischung aus Vorfreude und Adrenalin. Jetzt sind es nur noch wenige Stunden. Über München wird er nach Cluj in Rumänien reisen. Und dann, so ist der Plan, für den er viele tausend Dollar ausgegeben hat, soll sich dort sein Kindheitstraum erfüllen: Einmal einen richtig großen Braunbären töten.
Im Online-Jagdforum Africahunting, wo Trophäenjäger aus aller Welt sich austauschen, beschreibt Taylor später seine Reise. Er berichtet detailliert, wie er vom Flughafen abgeholt wird und über den “Dracula-Pass” tief in die rumänischen Karpaten fährt. Er erzählt, wie er in der Nacht vor der Jagd kaum schlafen kann, immer wieder wacht er auf und blickt auf die Uhr. Er erzählt, wie er am nächsten Tag sein Lager auf einem Hochsitz aufschlägt. Wie er Ausschau hält, das grüne Grasland vor ihm, dahinter Berge, steile Hänge mit dichtem Buschwerk. Er malt sich aus, wo genau der Bär aus dem Gebüsch treten wird, immer wieder, bis es allmählich dunkel wird. Dann, gerade als der Mond aus den Wolken bricht, sieht er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. “Bär”, flüstert Taylor seinem Begleiter zu, dem rumänischen Jagdveranstalter. Dann entsichert er vorsichtig die Blaser R8, ein deutsches Jagdgewehr. “Mit dem Fadenkreuz auf der Brust”, schreibt er, “drückte ich langsam den Abzug.”
Wenig später kniet sich der sonnenverbrannte Amerikaner ins Gras, auf den Lippen trägt er ein leises Lächeln. Sein Tarnanzug spannt etwas am Bauch, als er die leblose Pranke des blutüberströmten Bären in die Luft stemmt. Seinen Erfolg, lässt er die anderen Jäger im Online-Forum noch wissen, begießen er und der Jagdveranstalter später mit einer Flasche Jack Daniels. Erst als sie leer ist, fällt Taylor überglücklich ins Bett.
Der amerikanische Jagdtourist Ron Taylor und seine Trophäe. Screenshot: Africahunting
Ron Taylor ist im Jagdforum nicht der einzige, der von Rumänien begeistert ist. “Eine unglaubliche Jagd”, schreibt einer über ein Foto, auf dem er lächelnd neben einem blutverschmierten Braunbären posiert. Die Jagd dort sei unvergleichlich, schwärmt ein weiterer Jäger. Das Essen und die Unterkünfte seien großartig und es gebe auch keine hubschraubergroßen Moskitos, wie man sie aus Alaska kennt. Das für Trophäenjäger wichtigste aber bringt ein anderer auf den Punkt: “All diese großen Braunbären!!!” Für Männer, die Bären töten, um sich ihr Fell an die Wand zu hängen, zählt offenbar vor allem eins: Wer hat den Größten?
Die Wälder Rumäniens scheinen zu einer Art Paradies für zahlungskräftige Safari-Jäger geworden zu sein. Nicht irgendwo in Afrika, sondern mitten in der EU erfüllen sie sich den Traum von der Großwildjagd. Dabei sind Braunbären, genau wie Wölfe, seit Einführung der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie im Jahr 1992 eigentlich streng geschützt.
Auch die Bärenjagd ist in Ausnahmefällen in Europa wieder möglich. Nachdem vergangenes Jahr eine italienische Wanderin in Rumänien von einem Bären getötet wurde, erlaubte das rumänische Parlament die jährliche Jagd auf bis zu 500 Braunbären. Das rumänische Gesetz ist nicht unumstritten. Denn die Jagd auf streng geschützte Tiere ist heikel: Sie müsse strengen Auflagen folgen, erklärt ein Sprecher der EU-Kommission auf Anfrage. Die Bärenjagd sei nur dann legal, wenn sie die letzte Möglichkeit ist, Mensch und Tier zu schützen. Auf keinen Fall darf die Jagd also vor allem dem Vergnügen dienen. Geschützte Tiere wegen ihrer Trophäen zu jagen, ist nach EU-Recht somit verboten.
Rumäniens neues Jagdgesetz enthält deshalb eine Art Schutzklausel: Man darf keine besonders großen Bären erlegen. Die Regel soll sicherstellen, dass Rumänien keine Probleme mit der EU bekommt. Die Idee ist einfach: Wo es keine großen Trophäen zu holen gibt, da kann es auch keine Trophäenjagd geben.
Aber wird diese Schutzklausel wirklich eingehalten? Oder werden in Rumänien nicht längst die größten Bären Europas geschossen – nur um ihr Fell als Trophäen an die Wände wohlhabender Jäger zu hängen? Sollte sich das bestätigen, wäre das nicht nur ein klarer Verstoß gegen rumänisches Recht. Es würde auch bedeuten, dass mitten in der EU illegale Trophäenjagd betrieben wird. Um dem auf den Grund zu gehen, hat sich ein Reporter für Flip und das Rise Project Romania undercover unter Trophäenjäger gemischt. Die Tarnung: Christoph Müller, angeblich Assistent eines reichen Unternehmers aus Bayern, soll eine Bärenjagd in Rumänien organisieren – und dafür sorgen, dass sein Chef mit einer möglichst imposanten Trophäe zurückkehrt.
Das Geschäft mit der Jagdlust
Die Undercover-Recherche beginnt nicht im Wald, sondern bei einer der zahlreichen Jagdreiseagenturen in Deutschland. Dort lässt sich – wie bei einem Reisebüro – die Trophäenjagd ganz bequem als All-inclusive-Paket buchen. Der fiktive Christoph Müller fragt also die Reisekataloge verschiedener Jagdagenturen an. Die Rumänienreise ist dort hoch angepriesen. „Karpaten – ein Zauberwort für uns Jäger!“, schreibt der Dortmunder Anbieter K&K Premium Jagdreisen in seinem Prospekt, auf dessen Cover ein erlegter Braunbär im Schnee zu sehen ist. Für die Bärenjagd inklusive Hotel mit Vollpension zahlt man dort etwa 15.000 Euro.
Dieser Beitrag ist nur für zahlende Mitglieder
Registriere dich jetzt und upgrade dein Konto, um Zugriff auf diesen und alle weiteren Beiträge zu erhalten.