Noch bevor sie überhaupt angewandt wird, hat die EU ihre Lieferkettenrichtlinie zum Schutz von Menschenrechten auch schon wieder abgeschwächt. Sie ist Teil eines Regulierungspakets namens Omnibus, das die Transformation der europäischen Wirtschaft vorantreiben soll, von Kritiker:innen aber zunehmend als Bürokratiemonster und Wachstumshindernis angesehen wird. In der Nacht auf Dienstag einigten sich nun Vertreter:innen von Europäischem Parlament, EU-Kommission und EU-Rat auf einen Kompromiss zum Omnibus-I-Paket. Nun sollen unter anderem rund 70 Prozent der Unternehmen wieder ausgenommen werden, die nach dem ursprünglichen Entwurf unter die EU-Lieferkettenrichtlinie gefallen wären.

➡️ Für alle, die es genauer wissen wollen:

  • Was war dieses Omnibus-Paket nochmal? Das erklärte Ziel des Omnibus-Pakets ist es, Unternehmen die Umsetzung verschiedener Green-Deal-Regulierungen zu erleichtern. Konkret geht es um die Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in den Lieferketten (CSDDD), die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die EU-Taxonomie und den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Diese Regelungen sollen Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche und umweltbezogene Vorgaben zu erfüllen und darüber transparent zu berichten. Die EU-Lieferkettenrichtlinie wurde erst letztes Jahr beschlossen und verpflichtet Unternehmen, Menschenrechts- und Umweltstandards in ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten. Die CSRD fordert größere Unternehmen zur regelmäßigen Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf, während die EU-Taxonomie definiert, welche Aktivitäten als nachhaltig gelten. Der CBAM verlangt von Importeuren CO₂-intensiver Produkte eine Abgabe, um europäische Hersteller zu schützen und ausländische Unternehmen zu umweltfreundlicherem Handeln zu motivieren.
  • Worauf hat sich die EU im Trilog geeinigt? Konkret einigten sich Parlament, Rat und Kommission diese Woche auf Änderungen der Lieferkettenrichtlinie und der Nachhaltigkeitsberichterstattung, eine Vereinfachung von CBAM wurde bereits im September vom EU-Rat angenommen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) soll abgeschwächt und künftig nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz über 450 Millionen Euro gelten – statt eigentlich vorgesehenen 50 Millionen Euro. Auch die EU-Lieferkettenrichtlinie wird entkernt: Statt Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einer Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro zu verpflichten, soll es nun erst ab 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Milliarden Jahresumsatz greifen. Die zivilrechtliche Haftung auf EU-Ebene soll entfallen, wodurch Betroffenen keine Klagemöglichkeit mehr bleibt. Auch die Pflicht zur Erstellung von Klimaplänen soll gestrichen werden. Zuvor hatten Firmen und Länder wie die USA und Qatar massiv Druck ausgeübt, die Richtlinie abzuschwächen, auch Friedrich Merz hatte direkt bei seinem Amtsantritt eine Abschaffung gefordert. Damit der Trilog überhaupt starten konnte, hatte sich das EU-Parlament bereits im November auf Abschwächungen einigen müssen – eine Einigung, die nur mit den Stimmen der extrem rechten Fraktionen möglich war.
  • Wie geht's jetzt weiter? Am 11. Dezember hat der Rechtsausschuss der Vereinbarung zugestimmt, am 16. Dezember folgt eine finale Abstimmung im EU-Parlament in Straßburg. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Kompromissvorschlag eine Mehrheit erhält. Schätzungen zufolge würden dann rund 90 Prozent der Unternehmen, die nach dem ursprünglichen CSRD-Entwurf berichtspflichtig gewesen wären, wieder entfallen, bei der Lieferketten-Richtlinie wären es auch etwa 70 Prozent. Von den "Kernelementen, die die CSDDD zu einem wirksamen Regelwerk zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima machen" bleibe "nur noch wenig übrig", kritisiert die Initiative Lieferkettengesetz in einem Statement. Die Mitgliedstaaten sollen die EU-Vorgaben zur Sorgfaltspflicht in den Lieferketten bis zum 26. Juli 2028 in nationales Recht umsetzen, ein Jahr später sollen die Regeln für die Unternehmen in Kraft treten.

Quellen: EU-Kommission, Europäischer Rat, Haufe, Spiegel, Reuters, Deutschlandfunk, Heise, Tagesschau, ESG Dive, Initiative Lieferkettengesetz, BR

Wenn du tiefer einsteigen willst: Recherchen des niederländischen Centre for Research on Multinational Corporations zeigen, dass die geplanten Abschwächungen der Nachhaltigkeitsrichtlinien auch auf den Einfluss großer US-Fossilkonzerne zurückgehen. Demnach haben Unternehmen wie Chevron, ExxonMobil und Koch Industries über ein geheimes Netzwerk namens “Competitiveness Roundtable” systematisch versucht, die Gesetzgebung zu ihren Gunsten zu verändern. 🔎

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